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Neuer Aufpasser fürs Essen

Früherer Greenpeace-Chef Bode gründet Organisation Foodwatch. Nitrofenskandal angeblich größer als bisher bekannt:Die örtlichen Behörden wussten seit Jahren davon. Teil des belasteten Getreides nach Polen verkauft. Gesamtmenge viel höher

von REINER METZGER

Deutschland hat eine neue Organisation im Verbraucherbereich: „Foodwatch“ will in Zukunft Informationen zu Lebensmitteln liefern, vom Trog bis zum Teller, vom Bauern bis zum Weltkonzern. Gründungsgeschäftsführer ist Thilo Bode, ehemaliger und langjähriger Chef von Greenpeace Deutschland und Greenpeace International. Zur Vorstellung präsentierte Foodwatch gestern neue Enthüllungen zum Nitrofenskandal. Gestern wurde auch die Website www.foodwatch.de freigeschaltet.

Die Truppe an sich ist noch winzig: Fünf Leute arbeiten in einem Berliner Hinterhof, inklusive Chef, Verwaltung und Finanzabteilung. Bode findet es „wunderbar. Keine Bürokratie“. Immerhin ist die Finanzierung erst einmal gesichert. Satte 750.000 Euro erhielt die NGO für das erste Jahr über die Zukunftsstiftung Landwirtschaft, unter Beteiligung der Schweisfurth- und Gerling-Stiftungen. Bei Erfolgen gibt es für das nächste Jahr noch einmal so viel.

Ab dem dritten Jahr soll das Budget dann von Mitgliederbeiträgen und Spenden aufgebracht werden. Bode legt Wert auf diese Unabhängigkeit von staatlichen Zuschüssen und von Verträgen mit Firmen. Foodwatch soll Verbrauchern die Möglichkeit geben, sich bundesweit zu organisieren. Über Studien, öffentlichen Druck und gegebenenfalls auch rechtliche Schritte sollen Veränderungen im gesamten Bereich Lebensmittel angeschoben werden. Die Recherche soll dabei vorwiegend an externe Experten ausgelagert werden.

Bei ihrer ersten Pressekonferenz gestern ging es neben der Selbstdarstellung schon um den ersten Knüller, die Fortsetzung des Futtermittelskandals um das Pflanzengift Nitrofen. Es bestünde der begründete Verdacht, dass die im Mai erstmals bekannt gewordenen Nitrofenverseuchungen bei Biogetreide, Eiern und Geflügelfleisch in weitaus größerem Umfang stattfanden als bisher angenommen. „Wir haben deshalb gegen die Verantwortlichen der Firmen Raiffeisen Hauptgenossenschaft Nord AG (HaGE Nord) in Kiel und Norddeutsche Saat- und Pflanzengut AG (NSP) in Neubrandenburg, die ebenfalls zur Raiffeisen-Gruppe gehört, Strafanzeige gestellt. Die Vorwürfe lauten auf Körperverletzung, Betrug, unerlaubten Umgang mit gefährlichen Abfällen und Verstoß gegen das Futtermittelgesetz“, so Bode.

Recherchen hätten ergeben, dass die Behörden seit mindestens sechs Jahren über die Belastung der Getreidelagerhalle im mecklenburgischen Malchin Bescheid wussten, jedoch nichts unternahmen. Ähnlich die beteiligten Firmen. Außerdem müsse davon ausgegangen werden, dass weit mehr als die rund 1.000 Tonnen Ökoweizen und -futtermittel kontaminiert waren: Die Getreidereinigungsanlage der HaGe Nord in Altentreptow wurde 1999/2000 mit mindestens 2.000 Tonnen nitrofenbelasteter Gerste beschickt. Diese 2.000 Tonnen belasteter Gerste habe die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) EU-subventioniert nach Polen exportiert. Außerdem sei noch immer nitrofenbelastetes Getreide im Umlauf.

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