Spaniens Chupa Chups ist abgelutscht

Das süße Problem des Geburtenrückgangs: Der weltgrößte Hersteller von Stundenlutschern schlittert in die Krise

MADRID taz ■ Zucker, Geschmacksstoff und Plastikstängel, das war alles, was Chupa Chups, die weltweit führende Firma auf dem Lollimarkt, zum Erfolg brauchte. Zumindest bisher. Jetzt sind die Verkaufszahlen des 1958 gegründeten Unternehmens erstmals rückläufige. Die Expansionsstrategie, die Chupa Chups in 170 Ländern dieser Welt betreibt, kommt ins Stocken.

Brachten vier Milliarden verkaufte Lutscher im Jahr 2000 noch 463 Millionen Euro Umsatz, waren es 2001 nur noch 414 Millionen. Und dieses Jahr wird der Absatz noch weiterzurückgehen. Die Produktion soll deshalb auf die Hälfte heruntergefahren werden. Über 100 Stellen wurden bereits abgebaut. Es handele sich nur „um einen vorübergehender Rückgang der Nachfrage“, heißt es aus der Chefetage beschwichtigend.

Dabei dürfte auch der Geschäftsleitung klar sein, dass der unerwartete Einbruch das endgültige Aus für die ehrgeizige Expansionsstrategie bedeuten könnte. Eigentlich sollte das Verkaufsvolumen in den nächsten drei Jahren verdoppelt werden. Diese optimistischen Schätzungen stützten sich auf millionenschwere Auslandsinvestitionen. Ein Werk in Russland, eines in Mexiko, ein drittes in China sollen neue, dicht bevölkerte Märkte erschließen. Indien war als Nächstes angepeilt. Stattdessen berichten jetzt die Gewerkschaften, es sei geplant, die Standorte im mexikanischen Toluca und in Schanghai zu schließen. Die Firmenleitung bestreitet das.

Die Gründe des sinkenden Absatzes hängen nicht unwesentlich mit dem Geburtenrückgang zusammen. Gleichzeitig lässt sich der neu angepeilte Markt – Jugendliche und Erwachsene zwischen 16 und 35 Jahren – nicht so gut zum Schlecken verführen, wie Chupa-Chups-Chef Xavier Bernat erwartete. Und das, obwohl jeder fünfte Euro in die Werbung geht. Fernsehclips sollen die Stundenlutscher als Alternative zum Rauchen verkaufen. Junge Raver werden in Diskotheken gezeigt, wie sie genüsslich schlecken, während sie ein Auge auf das andere Geschlecht werfen. Die Spice Girls schlecken jahrelang in der Öffentlichkeit. Selbst in der russischen Raumstation MIR ließ sich einer der Kosmonauten mit einem Chupa Chups ablichten.

Seit der Gründung des Unternehmens 1958 durch den Zuckerbäcker Enric Bernat aus Barcelona setzte die Betriebsphilosophie von Chupa Chups darauf, eine marktbestimmende Stellung zu erreichen. In den Anfangsjahren baute der Katalane ein eigenes Vetriebssystem auf und belieferte bald 300.000 Geschäfte in Spanien. Danach ging es nach Frankreich und von da ins restliche Europa und nach Übersee. Jeder dritte Lutscher, der heute im Mund steckt, trägt das blumenförmige Logo von Chupa Chups, das einst Salvador Dalí entwarf.

Ob sich dieser Marktanteil halten lässt, ist jetzt fraglich. Denn gerade auf den neuen Märkten hat Chupa Chups auch mit einem neuen Problem zu kämpfen: Die Marke wird kopiert. Die falschen Lutscher kosten viel weniger und werben damit Kunden ab. Und das geht ganz einfach: je ärmer die Länder, desto weniger auch das Taschengeld. REINER WANDLER