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Captain Zeitraffer

Der Filmemacher Ali Eichelbach bewies in den 90er Jahren als Tüftler in den kultigen Fehrfeld-Studios, dass Experimentalfilme nicht „wehtun müssen“. Mittlerweile ist er auf‘s Land gezogen und hat – ohne es zu ahnen – im Vorgarten-Setting die norddeutsche Antwort auf „Chicken Run“ geschaffen

„Ich fummel gerne alleine herum und erschaffe mir dabei eine eigene Welt“

Ein Trickfilm mit Hühnern aus Knetmasse, denen der Kochtopf droht, dazu zwei freche Ratten und komische Bauern? Das kann nur „Chicken Run“ von Nick Parks sein. Denkste: In einem kleinen Dorf in Norddeutschland, Hepstedt um genau zu sein, hat Ali Eichelbach den Film „Neues vom Hühnerhof“ gedreht und gebastelt, der frappierende Ähnlichkeiten mit dem erfolgreichen Plastilin-Film hat – und der etwa zur gleichen Zeit herauskam.

Dabei kann kaum der eine vom anderen abgekuckt haben, denn beide saßen lange an ihren Projekten: Eichelbach ganze zwei Jahre für seine 11 Minuten Film, die ihm dann leider keinen großen Erfolg brachten. Wohl auch, weil er zwar liebevoll und komisch animiert war, aber erzählerische Mängel hat. Das gibt Eichelbach selber sofort zu: „Ich habe da wohl irgendwann einmal den Überblick verloren. Und ich hätte den Film auch nicht selber schneiden dürfen. Wenn man das alles selber zusammengebastelt hat, ist man zu geizig, um etwas rauszunehmen.“

Allzu großer Ehrgeiz plagt Ali Eichelbach nicht, das merkt man schnell, wenn man sich mit ihm unterhält. Er hat einen angenehm drögen, norddeutschen Witz, und am witzigsten sind in seinem „Hühnerfilm“ die plattdeutsch plappernden Knetbauern. Bei den Fehrfeld Studios, die er 1989 zusammen mit Hans-Joachim Hofmann gründete, und wo beide solche schönen Bremer Filmwerke wie „Die Hafenpiraten“, „Der schicksalhafte Kiosk“ und „Verbrechen, die nicht stattgefunden haben“ schufen, war Hofmann eher der Macher und Redner und Eichelbach der Tüftler. „Wie Lennon und McCartney“ hätten sie dort zusammengearbeitet, so Eichelbach, und er kann selbst dies so bescheiden sagen, dass es überhaupt nicht vermessen klingt.

Zuerst wollte Ali Eichelbach aus Walle ja „Kapitän“ werden, aber diesen Traum beendete der Arzt vom Seeamt mit seinem: „Junge, was willst du denn hier, du hast doch ne Brille auf!“ So wurde er Chemielaborant, war eine Zeitlang mit „der Produktion von Knallkörpern beschäftigt“, ging dann an die Kunsthochschule – „obwohl ich eigentlich nichts konnte“ – und landete dort in der Filmgruppe, wo er mit Knetgummi und Zeichentrick herumprobierte.

Sein Kumpel Achim war in einer anderen Filmklasse, beide regten sich äußerst darüber auf, dass „Experimentalfilme wehtun müssen“, und machten sich in einer Wohngemeinschaft im Fehrfeld 61 zusammen daran, das Gegenteil zu beweisen. Ihr Markenzeichen war der Zeitraffer (in fast jedem Film tuckerten Schiffe in Rekordzeit die Weser herunter) und die „einbebaute Patina wie Fusseln und Schrammen, die die Filme aussehen lassen, als wären sie schon 50 Jahre alt“. Dieser Effekt ist übrigens aus der Not geboren, denn „in der Schule haben wir die Filme im Eimer entwickelt.“

In den 90er Jahren hatten die Kurzfilme der Fehrfeld Studios in der Stadt Kultstatus, und Hofmann, der „immer auch bekommt, was er will“, begab sich auf diverse Weltreisen, bei denen er einerseits in Goethe-Instituten seine Filme zeigte und andererseits mit der Video-Kamera Material für weitere experimentelle Kurzfilme aufnahm.

Eichelbach wurde dagegen ein wahrer Local Hero! Er zog auf‘s Land nach Hepstedt, baute sich dort eine Stop-Motion-Anlage, die ein ganzes Zimmer ausfüllt, und legte sich später einen Computer zu, an dem er jetzt viele Filmtricks viel billiger und viel schneller erzeugen kann. Ja, von einem Eigenbrötler habe er schon etwas: „Ich fummel gerne alleine herum und erschaffe mir dabei eine eigene Welt. Mit einem Filmteam zu arbeiten, ist immer so anstrengend, und Menschenführung ist auch nicht mein Ding.“

Was ehrgeizigere Filmemacher als willkommene Karriereschritte angesehen hätten, sind für Eichelbach kleine Episoden, zu denen es schöne Geschichtchen zu erzählen gibt. Der einzige Werbespot der Fehrfelder (für das Anzeigenblatt „A bis Z“) wurde beispielsweise fertig produziert (und ist sicher originell und hochkomisch), aber der Auftraggeber, Herr Schulenberg, hat ihn nie gesehen, weil das Band auf seinem Videorekorder nicht funktionierte. Der Film wurde zuletzt zwar bezahlt, kam aber nie zum Einsatz.

Auch mit dem Fernsehen hatte Eichelbach Kummer, den er als autonomer Künstler nicht gewohnt war: Mal wurde ein Film, weil er zu lang war, einfach schneller abgespielt, mal entschied sich der Redakteur kurz vor Schluss noch für einen anderen Titel. „Jeder Hempel muss da seine Pissmarke setzten.“

Ein Manko der Stadt ist es für Eichelbach, dass „Bremen keine Medienstadt ist. Man kann zum Beispiel hier nirgends auch nur einen Meter Film kaufen, und Jobs, etwa als Beleuchter oder Kameramann, bei denen man Geld verdienen und langsam das Handwerk lernen kann, gibt es hier auch nicht.“ Zur Zeit bastelt Eichelbach am Computer an neuen Projekten. Sein Geld verdient er unter anderem beim Neuen Museum Weserburg, wo er die Ausstellung „Kunst nach Kunst“ mit vorbereitete.

Auf dem Ansichtsvideo seines „Hühnerfilms“ sieht man übrigens ein paar Minuten Film ohne Titel und Ton, auf denen Traktoren und Mähdrescher bei der Erntearbeit zu sehen sind. Gefilmt direkt aus Eichelbachs Vorgarten und natürlich im Zeitraffer. Lokaler kann ein Hero nicht sein. Wilfried Hippen

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