: Wunderwelt tönt und tönt
Eine Radiosendung hat Geburtstag: Seit 15 Jahren läuft bei Radio Bremen „Pops tönende Wunderwelt“. Das hohe Alter verdankt die Sendung ihren kämpferischen Fans
Rauhe See. Das Boot ist gekentert, ein altes Wrack die einzige Rettung. Ein Mann klammert sich, mit letzter Kraft natürlich, an die morschen Planken. Schaut durchs Bullauge und erblickt ein komplett eingerichtetes Büro, mit Computer, Fax und Telefon.
Dieses unheimliche Szenario erwischte den Bremer Ansgar Schmidt beim planlosen Herumdrehen an den Radioknöpfen. Als die Geschichte dann auch noch im spannendsten Moment abbrach und eine Art Wassertropfen-Jazz einsetzte, war er gefangen: „Das wollte ich nie mehr verpassen“. Er war auf „Pops tönende Wunderwelt“ gestoßen, Abenteuer-Musiksendung bei Radio Bremen. Seit fünfzehn Jahren sind dort allsonntaglich zwischen 22.05 und 0.00 Uhr die Abenteuer von Paul Eduard Poplinski zu hören.
Wenn es nach Radio Bremen ginge, wäre es zu diesem Jubiläum wohl nicht gekommen. Es gab schon viele Versuche, die Sendung abzusetzen, zuletzt vor einem Jahr: Die Sendung sollte zusammen mit dem Nordwestradio, wo sie damals lief, abgeschafft werden. Auch jetzt würde man die „Wunderwelt“, die nach massiven Hörer-Protesten bei Radio Bremen 1 aufgenommen wurde, gerne stillschweigend unter den Tisch fallen lassen, vermutet Ansgar, einer der engagiertesten Wunderwelt-Fans. „Damit die Leute jederzeit ihr Mainstream-Hintergrundgedudel einschalten können“. Bisher aber waren die Fans der Sendung stärker. Mit Unterschriftenaktionen, Demos und E-Mail-Terror konnten sie das Aus ihrer „Kulturperle“ erfolgreich verhindern.
Paul E. Pop, wie ihn seine Freunde nennen, ist aber auch ein unkonventioneller Serienheld: Hauptberuflich Weltenbummler und Kneipenbesitzer mit einer ausgeprägten Scheu vor Mikrofonen, läßt er sich seit der ersten Sendung von seinem alten Kumpel Joachim Deick vertreten, dem „geschwätzigen Moderator“. Der stellt für die erste „Wunderwelt“-Stunde ein Musikprogramm zusammen, das im Radio seinesgleichen sucht: Obertongesang aus Usbekistan, schwedische Liedermacher, englische Charts. Dazu gibts Alltagsabenteuer und Rätsel. Außerdem pflegt er seine eigene Form der Geisteswissenschaft: Pseudophilosophie, Hauptmerkmal fehlender Erkenntnisgewinn.
In der zweiten Stunde werden „Pop“s Abenteuer gelesen und mit passender Musik umrahmt. Ohne Hörspieleffekte, aber spannend wie im Kino, meint Ansgar Schmidt. Seit mittlerweile neun Jahren verkrümelt sich der Informatiker am Sonntagabend in die Badewanne und hört Radio. Und mit ihm eine Fangemeinde, die sich über die ganze Welt verteilt. In Kanada, Taiwan und Australien sitzen „Pop“-Hörer, die ihre Lieblingssendung übers Internet empfangen. Und die Hörerschaft ist gut organisiert: In einer Mailingliste diskutieren sie aktuelle Themen aus der Wunderwelt, ca. ein Dutzend Homepages sind zu einem Webring zusammengeschlossen.
Einmal jährlich findet in Rotenburg die große Karibiksimulationsparty statt, mit Sand, Strandbar und an die 300 Gästen. Eine Miniaturausgabe davon Party gab es am Dienstag in der Lloyd-Passage, wo Fans aus Bremen und Niedersachsen den Geburtstag ihrer Sendung feierten. „Wenn schon Radio Bremen nichts verlauten lässt“, meint Ansgar kämpferisch, „dann tragen eben wir die Wunderwelt unter die Leute.“ Lene Wagner
„Pops tönende Wunderwelt“ immer sonntags bei RB 1 auf 93,8 UKW Bremen. Im Netz unter www.popwelt.de
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