: Wildwuchs soll bereinigt werden
Die vielen verkaufsoffenen Wochenenden in manchen Bezirken sorgen für Unruhe. Händler und Gewerkschaft drängen auf einheitliche Vergabe der Sondergenehmigungen. Sozialsenatorin Knake-Werner (PDS) will das Problem lösen
Im Streit über die ständigen Ausnahmen vom Ladenschluss setzt Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) auf eine einvernehmliche Lösung. Am kommenden Mittwoch will sie die Bezirksbürgermeister sowie Vertreter des Einzelhandelsverbandes, der Gewerkschaft Ver.di und der Industrie- und Handelskammer an einen Tisch holen, um sich auf verbindliche Kritieren für Sonderöffnungszeiten zu verständigen. „Ich nehme den Konflikt sehr ernst, aber ich sehe keinen Grund, die Zuständigkeit für die Erteilung der Sondererlaubnisse wieder an mich zu ziehen“, sagte Knake-Werner gestern zur taz.
Bei dem Streit geht es um weit mehr als um eine einzelne „Lange Nacht des Shoppings“, wie sie an Samstag wieder in der City-West ansteht und zu der eine halbe Million Besucher erwartet werden. „Es gibt Bezirke, die mit der Erteilung von Sondergenehmigungen nur so um sich schmeißen, während andere sehr zurückhaltend sind“, beschreibt Jan Holzweißig vom Einzelhandelsverband das Problem. Der Verband und Ver.di sprechen in ungewohnter Einmütigkeit von einem „Wildwuchs“, der zu einer Wettbewerbsverzerrung führe. Sie haben daher schon Knake-Werners Vorgängerin, Gabriele Schöttler (SPD), aufgefordert, für eine einheitliche Praxis zu sorgen. Im Gegensatz zu Knake-Werner, „die uns sehr ernst nimmt“, habe es Schöttler nicht einmal für nötig gehalten, den Brief zu beantworten, sagt der Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes, Nils Busch-Petersen.
Das Problem existiert, seit der Senat Anfang 2001 im Zuge der Bezirksfusion die Zuständigkeit für die Erteilung der Ausnahmegenehmigungen vom Ladenschluss an die Bezirke abgegeben hatte. Unter der Voraussetzung, dass ein Fest mit „Jahrmarktscharakter“ stattfindet, dürfen pro Geschäftsstandort und Jahr eigentlich nur 1 Sonntagsverkauf und 6 Spätverkaufe an Samstagen stattfinden. Es gibt aber Bezirke, die weit über dieses Ziel hinausschießen, zu den Vorreitern gehört Neukölln. Das führt bei anderen Händlern zu Neid, weil sie ihre Umsätze flöten gehen sehen. Für die Erteilung der Genehmigung ist der Senat nur noch dann zuständig, wenn es sich um stadtweite verkaufsoffene Sonntage und stadtweite lange Samstage handelt, etwa bei den 7 Shopping-Weekends im November und Dezember.
Das System habe „wunderbar funktioniert“, solange der Senat die Ausnahmegenehmigungen erteilt habe, sagt Busch-Petersen. Die Kontrollen des Lagetsi (Landesamt für Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie technische Sicherheit) hätten für stadtweite Ausgewogenheit gesorgt. Busch-Petersen fordert deshalb ein Durchgriffsrecht für den Senat und eine klare Dienstaufsicht über die Bezirksämter zur Einhaltung der Sonderkonditionen.
Die Sozialsenatorin hofft, das Problem schon bald gelöst zu haben, wenn alle Seiten verhandlungsbereit sind. Ihr Ziel, so Knake-Werner, sei es, „eine einvernehmliche Regelung zu finden, mit der alle umgehen können und an die sich alle halten“. PLUTONIA PLARRE
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