: Señor Dreiprozent aus Brüssel
Der spanische EU-Währungskommissar Pedro Solbes wacht über die Einhaltung des Defizitkriteriums von drei Prozent
Ziemlich viel Ärger hat Währungskommissar Pedro Solbes in diesem Jahr schon verdauen müssen. Ende Januar gestand er Journalisten, die Tage rund um den „blauen Brief“ für Deutschland gehörten zu den „intensivsten Momenten“ in seinem Brüsseler Leben. Aber es sollte noch dicker kommen. Anfang Februar weigerten sich die EU-Finanzminister, seinen Mahnbrief tatsächlich abzuschicken. Die Frühwarnung, dass der einstige Musterschüler bald drei Prozent Neuverschuldung erreichen wird, kam offiziell also nie bis Berlin. Und Ende letzter Woche bezeichnete Solbes’ Chef Romano Prodi den Stabilitätspakt, der all dem zugrunde liegt, als dumm.
Ob Solbes im Sommer 1999 wohl eingewilligt hätte, Währungskommissar bei der Europäischen Kommission zu werden, wenn er die Zukunft hätte vorausahnen können? Er war seit der spanischen Parlamentswahl im März 1996, als die Konservativen unter José María Aznar stärkste Partei wurden, auf der Suche nach einer neuen Aufgabe. Sowohl als Präsident der Osteuropabank als auch als Chef der Europäischen Investitionsbank war der „Sozialdemokrat ohne Parteibuch“, wie er sich selbst nennt, im Gespräch. Beide Male legte Aznar sein Veto ein.
So war die Berufung in Prodis neue Kommission im Sommer 1999 die fast nicht mehr erhoffte Chance für den damals 56-Jährigen, auf europäischer Bühne mitzuspielen. Das Brüsseler Beziehungsgeflecht ist ihm vertraut. In den 70er-Jahren arbeitete er im Beraterstab der spanischen Delegation bei der Europäischen Gemeinschaft, Anfang der 80er war er Mitglied der Verhandlungsdelegation, die Spaniens EU-Beitritt vorbereitete.
Auch die Interessenkonflikte eines Finanzministers kennt Solbes aus eigener Anschauung. Als er 1993 von Felipe González in dieses Amt berufen wurde, steckte Spanien gerade in der Rezession. Mit einem „Sozialpakt“ zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften, Einsparungen in der öffentlichen Verwaltung und rigoroser Sparpolitik erwarb er sich den Ruf eines kompetenten Finanzfachmanns.
Im Vergleich dazu ist sein Spielraum heute gering. Er soll für einen harten Euro sorgen, ohne über ein einziges der klassischen Lenkungsinstrumente zu verfügen. Den Leitzins bestimmt die Europäische Zentralbank in Frankfurt. Die Finanz- und Wirtschaftspolitik liegt in den Händen der nationalen Minister. Sogar beim EU-Stabilitätspakt haben sie das letzte Wort.
Deshalb hat die Kommission im Mai dem Konvent zur Reform der EU-Verfassung vorgeschlagen, dass die Kommission künftig das Recht erhalten müsse, die ökonomischen Rahmenbedingungen einheitlich festzulegen. Sie müsse gegen nationale Entscheidungen Einspruch einlegen können, die die makroökonomische Stabilität gefährden. Mittelfristig müsse die einheitliche Währung nach außen auch einheitlich vertreten werden.
Gegen so weit gehende Eingriffe in die nationale Souveränität haben fast alle Mitgliedsländer Vorbehalte. Zwar wissen alle, dass der Euro daran krankt, dass weder der EZB-Präsident noch der amtierende Vorsitzende des Finanzministerrates noch der turnusmäßige Chef der Euro-12-Gruppe das letzte Wort haben. Doch koordinierte Finanzpolitik hieße, dass die nationalen Regierungen ihre Steuerpolitik absprechen. Für Wahlgeschenke bliebe dann kein Spielraum mehr. DANIELA WEINGÄRTNER
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