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Außenpolitik als Tauschring

Joschka Fischer fliegt erstmals seit der Wahl in die USA – schon bahnen sich politische Geschäfte auf Gegenseitigkeit an

BERLIN taz ■ Seit die schwäbische Abgeordnete Herta Däubler-Gmelin mit zwei unbedachten Sätzen im Örtchen Derendingen das Weiße Haus in Rage versetzte, hat vielleicht auch der unterfränkische Müllermeister Michael Glos Chancen, Gehör in Washington zu finden. Glos, Chef der CSU-Landesgruppe und erster Stellvertreter von Unionsfraktionschefin Angela Merkel, schlug gestern kräftig auf ein wichtiges Anliegen der Regierung Bush ein: den Wunsch der USA, die Europäische Union möge doch der Türkei die Perspektive auf einen Beitritt eröffnen.

Seit es ernst wird mit dem Irakkrieg, ist die Bush-Regierung mehr denn je auf die Türkei angewiesen. Als nördlicher Nachbar des Irak ist das Land ein zentraler Aufmarschplatz des US-Militärs. Für die nicht unerheblichen Risiken, die die Türken bei einem US-Angriff von ihrem Boden aus eingehen, möchte sich Washington gerne bei Ankara revanchieren. Da traf es sich gut, dass Präsident George W. Bush noch eine Rechnung mit seinem ehemaligen Freund Gerhard Schröder offen zu haben glaubt: Der Deutsche hatte sich schließlich im Wahlkampf mit seiner Ablehnung eines Irakkriegs kräftig auf Bushs Kosten profiliert. Und so liegen Spekulationen, die derzeit in Berlin umlaufen, wohl nicht zu weit von der Wirklichkeit entfernt, dass Washington den Deutschen eine Art Tauschgeschäft vorgeschlagen hat: Helft ihr den Türken, die uns helfen, hilft es euch, die ihr uns nicht helfen wollt.

Dieses Geschäft auf Gegenseitigkeit will die Bundesregierung nun zumindest erwägen. Das deutsche Zugeständnis, so ist von Außenpolitikern im Bundestag derzeit zu hören, ist ohnehin seit längerem geplant – und von so mikroskopischem Ausmaß, dass es weniger als einen Spalt in der Tür nach Europa bedeutet. Von einem konkreten Beitrittsdatum für die Türkei kann auf absehbare Zeit ebenso wenig die Rede sein wie von einem Termin für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen. Stattdessen erwägen Regierungskreise, der Türkei auf dem EU-Gipfel von Kopenhagen im Dezember den Termin für einen Termin zu nennen, zu dem die Verhandlungen über den Termin eines Beitritts aufgenommen werden. So verwirrend kann Außenpolitik sein.

Wenn Außenminister Joschka Fischer nächste Woche als erster Minister seit der Bundestagswahl nach Washington reist, kann er freilich mit weiteren Wünschen seines Kollegen Colin Powell rechnen. Insbesondere beim Nato-Gipfel am 21. November in Prag sollen sich die Deutschen einer möglicherweise anstehenden Unterstützung des Bündnisses für den Bushkrieg nicht in den Weg stellen. Das gilt angeblich auch für die Nutzung der militärischen Infrastruktur der Nato.

Aus amerikanischer Sicht haben die Deutschen den Preis für ein Ende der Eiszeit noch lange nicht bezahlt: US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ließ neulich seinen Kollegen Peter Struck mit einem Gesprächswunsch auf einer Nato-Tagung abblitzen, und Kanzler Schröder ist seit der Wahl nicht mal telefonisch zum US-Präsidenten durchgedrungen.

PATRIK SCHWARZ

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