: Wenn ein Lautsprecher schweigt
Auch das zweite Ultimatum der FDP ist abgelaufen: Möllemann verrät nicht die wahren Spender für sein Wahlkampfkonto. Liberale wollen Auskunftsklage einreichen, und die Grünen erwägen, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen
aus Düsseldorf PASCAL BEUCKER
Das zweite Ultimatum ist abgelaufen, doch der Ex-FDP-Lautsprecher schweigt weiter. „Herr Möllemann hat keine Auskünfte erteilt“, musste FDP-Bundesschatzmeister Günter Rexrodt gestern in Berlin mitteilen. Bis 12 Uhr mittags sollte Jürgen W. Möllemann die Hintergründe und -männer der 840.000 Euro auf seinem Wahlkampfsonderkonto nennen. Doch er ließ die Frist verstreichen – so wie er auch eine erste Frist bis zum letzten Montag ignoriert hatte, die Parteichef Guido Westerwelle gesetzt hatte. Nun will die FDP ihren ehemaligen Landesvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen per Auskunftsklage zur Aussage zwingen.
Unterdessen hat die FDP eine erste personelle Konsequenz gezogen. Gestern wurde der Geschäftsführer der nordrhein-westfälischen Liberalen, Hans-Joachim Kuhl, suspendiert. Entgegen seiner bisherigen Beteuerungen hatte er offensichtlich schon Anfang September von Möllemanns antiisraelischer Flugblattaktion gewusst, die mit den ungeklärten Geldspenden finanziert worden war. Denn wie Rexrodt gestern mitteilte, liegt der Partei inzwischen die Auftragsbestätigung einer Düsseldorfer Druckerei vom 3. September vor. Daraus geht hervor, dass die Flugblätter zwar vom FDP-Landesverband bestellt wurden – dass die Rechnung jedoch an Möllemanns dubiose Exportberatungsfirma WebTec gehen sollte. Kuhl, ein enger Möllemann-Vertrauter, zeichnete die Auftragsbestätigung am 4. September mit dem Vermerk „i. O.“ (in Ordnung) ab.
„Das ist ein skandalöser Vorgang“, sagte Vize-NRW-Chefin Ulrike Flach zur taz. „Wir haben Kuhl mit sofortiger Wirkung beurlaubt“, so die designierte Möllemann-Nachfolgerin als Landesvorsitzende. Außerdem sei Kuhl zu einer umgehenden Stellungnahme aufgefordert worden. Sobald sie eingegangen sei, werde über eine fristlose Kündigung beraten. Zudem müssen nun alle weiteren Mitarbeiter der Landesgeschäftsstelle dienstliche Erklärungen abgeben, ob sie von dem Vorgang gewusst haben. Denn für Rexrodt spricht nun „alles dafür, dass Möllemann nicht allein gehandelt hat“.
Kuhl war bereits zuvor in die Schusslinie geraten, weil er eine Rechnung vom 16. September umgehend an Möllemann weitergeleitet hatte, ohne den Vorstand zu informieren: Die Post verlangte 838.000 Euro für den Versand des Flugblatts. Kuhl hatte wider besseren Wissens auch dann noch geschwiegen, als Möllemann in der Landesvorstandssitzung am 23. September die Gesamtkosten der Flyer-Aktion viel zu niedrig ansetzte und mit nur etwa 250.000 Euro bezifferte.
Unangenehme Fragen müssen sich jetzt auch die FDP-Bundestagskandidaten aus Nordrhein-Westfalen gefallen lassen. „Wir haben mit allen Kandidaten Kontakt aufgenommen“, betätigte Flach der taz. Die Partei will herausfinden, ob es sich um Einzelfälle handelt, wie zwei Direktkandidaten im Münsterland von Möllemann gesponsert wurden.
Die Prüfung der Wahlkampfkonten der Bundestagskandidaten Fred Staffeldt und Manfred Drews bei ihren Ortsverbänden Bocholt und Ochtrup hatte ergeben, dass insgesamt 8.500 Euro von einem Münsteraner Bankhaus überwiesen worden waren. Dort wiederum sei das Geld nach bisherigen Ermittlungen von Möllemann selbst bar eingezahlt worden, teilte der Borkener FDP-Kreisvorsitzende Jens Steiner mit. „Das ganze Verfahren legt uns den Schluss nahe, dass es sich um unrechtmäßiges Spendengeld handelt“, sagte Steiner.
Die Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag erwägen ebenfalls Maßnahmen: „Falls die FDP nicht schnellstmöglich die Hintergründe des merkwürdigen Finanzgebarens ihres bisherigen Landesvorsitzenden aufklärt, muss man über einen Untersuchungsausschuss Klarheit herstellen“, so der parlamentarische Geschäftsführer Johannes Remmel zur taz. „Den Kreis nur um Möllemann als angeblichen Alleinverantwortlichen zu ziehen, wie es die FDP versucht, ist uns zu eng“, sagte Remmel. „Ich habe den Eindruck, dass bei den Liberalen in viele Richtungen verschleiert wird.“
So müsse überprüft werden, wie der aufwändige Landtagswahlkampf 2000 der FDP finanziert wurde. Da gebe es „noch viele offene Fragen, die die FDP beantworten muss“.
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