piwik no script img

Nervenkrieg in Moskau

Nach der Erstürmung eines Theaters drohen Geiselnehmer mit Ermordung der rund 500 Geiseln. Ihre Forderung lautet: Abzug der Russen aus Tschetschenien. Bekennervideo bei al-Dschasira

MOSKAU afp/ap/dpa/rtr ■ Widersprüchliche Nachrichten über den Tod einer Frau haben gestern den Nervenkrieg um die Besetzung eines Moskauer Theaters dramatisch verschärft. Die tschetschenischen Geiselnehmer dementierten Berichte, wonach sie eine erste Geisel erschossen hätten. Zuvor hatte der Fernsehsender NTW gemeldet, die Frau sei getötet worden. Nach Angaben des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB wurde die Frau unmittelbar nach der Erstürmung des Theaters am Mittwoch auf der Flucht erschossen.

Die etwa 40 tschetschenischen Rebellen brachten mehr als 500 Menschen in ihre Gewalt. Unter den Geiseln sollen sich 60 Ausländer befinden, darunter mindestens 3 Deutsche. Die Geiselnehmer fordern einen Abzug der russischen Truppen aus Tschetschenien.

Russland habe sieben Tage Zeit, um den Krieg in Tschetschenien zu beenden, hieß es auf der von tschetschenischen Rebellen betriebenen Website www.kavkaz.org. Die Männer und Frauen seien ein Selbstmordkommando. Anführer der Gruppe sei Mowsar Barajew, ein Neffe des im vergangenen Jahr getöteten tschetschenischen Kriegsführers Arbi Barajew. Nach Berichten von Geiseln trugen die Rebellen Sprengstoff, Minen und Benzinkanister am Körper. Sie seien mit Granaten und Schnellfeuergewehren ausgerüstet und hätten das Theater vermint.

Der arabische TV-Sender al-Dschasira zeigte gestern Videoaufnahmen von tschetschenischen Rebellen, die sich als die Geiselnehmer von Moskau bezeichneten. „Es ist uns egal, wo wir sterben, und wir entscheiden uns dafür, hier in Moskau zu sterben, und wir werden die Seelen der Ungläubigen mit uns nehmen“, sagte darin eine verschleierte Frau. Sie stand neben vier anderen Frauen vor einem Banner mit der Aufschrift „Gott ist der Größte“.

Der tschetschenische Unabhängigkeitsführer Aslan Maschadow lehnte die Geiselnahme ab. Er erklärte, er lehne „jede Aktion gegen Zivilisten“ ab.

Aussagen eines Sprechers des Roten Kreuzes zufolge wurden gestern eine kranke Geisel, zwei Kinder und eine Frau freigelassen. Nach Kreml-Angaben kamen insgesamt fünf Geiseln frei, darunter ein Brite. Über die Gesamtzahl der Freigelassenen gab es widersprüchliche Angaben. Nach einem zweiten Treffen mit den Geiselnehmern sagte der russische Abgeordnete Jossif Kobzon jedoch laut der Nachrichtenagentur Interfax, die Rebellen wollten keine weiteren Geiseln mehr freilassen.

Russlands Präsident Wladimir Putin, der eine Verbindung von den Geiselnehmern in Moskau zu den Bombenanschlägen auf Bali zog, versicherte, oberstes Ziel sei die unversehrte Freilassung der Geiseln.

brennpunkt SEITE 3

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen