piwik no script img

Genuss auf der Blumeninsel

Bei Gartenreisen können versierte Fachleute und Balkonbesitzerinnen gleichermaßen auf ihre Kosten kommen. Auch mancher Blumenmuffel ist im Reisebus nach England schon konvertiert – zum Gartenfreund

Britisches Gartenpublikum flaniert in Söckchen, Rock und Hut

„Eigentlich wollte ich nicht mit. Ich bin der typische Mann fürs Rasenmähen“, sagt Knud Falck. Dass er seiner Frau nachgab und die Gartenreise nach England schließlich doch antrat – er hat es bis heute nicht bereut. „Ich saß kaum im Bus, da fiel aller Stress von mir ab“, sagt der Mitinhaber des Buchladens Ostertor. „Die waren so nett, diese Gartenfreunde.“ Seine Reise, initiiert von der Bremer Landschaftsgärtnerin Cordula Hamann, hat er nun als „eine unserer schönsten“ verbucht. Wenn die Zeit reicht, will der vormals bekennende Gartenmuffel kommendes Jahr sogar wieder mit Gartenmenschen auf Tour gehen. Dann will er den Osten, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen neu kennenlernen. Fürst Pücklers Park in Branitz bei Cottbus sehen und das von der Elbeflut bedrohte Gartenreich bei Dessau. Damit liegt er voll im Trend.

Gartenreisen boomen. Gleich mehrere mittelständische deutschsprachige Reiseveranstalter sind darauf spezialisiert, aber auch kleine Unternehmen und Einzelveranstalter tummeln sich auf diesem Markt für die gepflegte Bildungsreise in eine schöne Welt. So versammelt in Göttingen „Natur-Studienreisen“ die LiebhaberInnen südfranzösischer Gärten um sich, aus Esslingen schickt Schefenaacker Busreisende zu Gartenbetrachtungen sogar nach Lappland, „Frauen unterwegs“ wandeln auf den Pfaden der Beginen durch die Kräutergärten der Provence, und in Ritterhude ist jetzt Linné-Reisen unter anderem in die Parks von Kent aufgebrochen.

In Bremen beackert die Landschaftsgärtnerin Cordula Hamann den Gartenreise-Markt. Aus ganz Deutschland melden sich kulturbeflissene Blütengucker, urlaubsreife Gartenplaner und vorbelastete Duftfreaks bei der 49-Jährigen, die sich auch als Buchautorin einen Namen gemacht hat. Nach Holland, England, Italien und Portugal hat sie schon geführt. Im Hauptberuf allerdings lebt sie vom Gärtnern. Die Reisen sind auch für sie Inspiration und Rückblick in die Tradition und die Geschichte des eigenen Berufs.

„Das Schöne ist, dass jeder sich das Beste aus so einer Reise raussuchen kann“, sagen ehemalige Reiseteilnehmerinnen wie Roswitha Eckerle. Die Architektin war mit Hamann zehn Tage in England unterwegs und genoss jeden Tag einen anderen Garten oder Park. Staudenanlagen. Farbenmeere. Ozeane von Grün. „Die Gerüche und die Farben tun mir einfach gut“, seufzt sie noch nachträglich. Zurück in Bremen belebt sie das Urlaubsgefühl von Muße, indem sie hin und wieder über den Bremer Blumenmarkt schlendert. Ganz und gar Blumenfreundin, nichts anderes. „Ich war froh, nicht vom Fach zu sein“, sagt sie. Während mitreisende Experten über Parkanlagen fachsimpelten, staunte sie und tankte Bilder von Parklandschaften, Blüten und Farben – eingestimmt von Lesungen im Bus, aus der „Kleinen Philosophie der Passionen“ etwa. Draußen nahm sie sich auch Zeit für einen liebevoll erheiterten Blick aufs britische Gartenpublikum – „mit Söckchen, Rock und Hut“. Die deutsche Blumenfreundin erkannte: „Jeder Tick ist die Frage der richtigen Umgebung.“ Unter so vielen Gleichgesinnten sei der Spleen Gartenliebhaberei wohltuend verblasst. Stattdessen blieb Zeit fürs Wohlfühlen unter wohlmeinenden Mitreisenden, die Liebhaberstücke wie Teetassen mit verschlungenen Erdbeerranken zu würdigen wissen – als Trophäen mit Nutzwert. Rundet doch jeden Hamann‘schen Gartentag ein Picknick ab. Dann werden Bänke und Klapptisch aus dem Bus gepackt und an gut gewählten Aussichtspunkten wieder aufgebaut. Tea-Time heißt diese Zeit, in der die Reisenden das Gesehene Revue passieren lassen – und sich freuen, über ihre kultivierte Art zu Reisen. ede

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen