Solidarität am Nullpunkt

Die Front zwischen Senat und Gewerkschaften um den gescheiterten Solidarpakt im öffentlichen Dienst verhärtet sich weiter. Wowereit fordert Nullrunde. Ver.di erteilt Beamtenbund Abfuhr

von ADRIENNE WOLTERSDORF

Angesichts der dramatischen Finanzlage der Hauptstadt hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bei den bundesweiten Tarifrunden für den öffentlichen Dienst eine Nullrunde gefordert. Berlin könne „keinen Euro mehr bezahlen“ sagte Wowereit der Welt am Sonntag. Die Ver.di-Gehaltsforderungen würden Berlin jedoch zusätzlich mit 200 Millionen Euro belasten. Im ZDF-Länderspiegel spekulierte er, dass man bei anhaltender Begriffsstutzigkeit der Gewerkschaften langfristig den öffentlichen Dienst ganz abschaffen werde. Auch die vorige Woche erhobene Ver.di-Forderung nach einer mehr als dreiprozentigen Steigerung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst wies Wowereit zurück.

Der Deutsche Beamtenbund (DBB) wandte sich unterdessen ausdrücklich gegen seinen Berliner Landesverband, der sich als einzige Gewerkschaft in Berlin bereit erklärt hatte, einen befristeten Verzicht auf Tarifsteigerungen zu akzeptieren. Ein „völlig falsches Signal“, sagte der Vorsitzende der DBB-Tarifunion, Robert Dera, am Sonntag. Der Berliner Landesverband sei „nicht für Abschluss oder Änderung von Tarifverträgen zuständig“. Die DBB-Tarifunion werde „dem Druck des Berliner Senats nicht nachgeben“, so Robert Dera.

Die Gewerkschaften zeigten sich am Wochenende zudem besorgt über eine aus dem Streit resultierende mögliche Abwanderung Berliner Lehrer und Polizisten in andere Bundesländer. Dort würden sie mit „Kusshand“ genommen, sagte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulrich Thöne, dem Berliner Kurier. Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPoIG) warnte vor einem „Aderlass“ bei der Polizei. Nach Ansicht ihres Landeschefs Rolf Taßler sitzen in der Hauptstadt rund 3.000 junge Polizisten „auf gepackten Koffern“.

Aus Sicht von Ver.di-Landeschefin Susanne Stumpenhusen ist das Angebot des SPD-PDS-Senats „nicht verhandelbar“. Der Senat hatte vorgeschlagen, gegen eine Beschäftigungsgarantie die Gehälter der Landesbediensteten befristet einzufrieren. Den Vorstoß des Beamtenbundes sah Stumpenhusen gelassen. Der Beamtenbund könne eh nur für die eigene Mitgliedschaft sprechen.

Von der ersten ordentlichen Ver.di-Bezirkskonferenz am Samstag verlautete, man sehe kaum noch Chancen für einen Solidarpakt. Zu dem Versuch des Berliner Senats, den „Hebel an Bundestarifverträgen“ anzusetzen, gebe es von Ver.di ein „klares Nein“, sagte Pressesprecher Andreas Splanemann. Eine Koppelung der Tarifpolitik an die jeweilige wirtschaftliche Lage eines Landes sei der falsche Weg.

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