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Reeperbahn wird hipp

Saga-MieterInnen in St. Pauli fürchten Verdrängung durch steigende Mieten. Bezirksleiter: „Wir können nicht jedem Mieter eine Sanierung garantieren, die seinem Salär entspricht.“ Klagen über Leerstand und schlechte Wohnqualität

von PETER AHRENS

„Ich bin der Ansicht, St. Pauli ist ein Stadtteil, der immer mehr gefragt ist“, sagt Herr Sies, Leiter der Saga in Mitte – und genau das ist für viele Mieter in St. Pauli-Süd das Problem. Sie befürchten, dass sie sich das Wohnen zwischen Reeperbahn und Hafen nicht mehr lange erlauben können. Beispiele für saftige Mieterhöhungen nach einer Sanierung gibt es genug. So weist Christiane Hollander vom Verein Mieter helfen Mietern darauf hin, dass die Bewohner in der Langen Straße 33 nach der Sanierung eine Erhöhung um 160 Prozent bekamen. Sies räumte gestern Abend bei einer Versammlung vor Mietern im Kölibri am Hein-Köllisch-Platz ein: „Wir können nicht jedem Mieter eine Sanierung garantieren, die seinem Salär entspricht.“

Die Sorgenliste der Bewohner auf St. Pauli-Süd ist lang: So stehen an der Ecke Trommelstraße/ Lincolnstraße seit Jahren Wohnungen leer. Der Zustand der Wohnungen ist inzwischen erbärmlich, das muss auch Sies zugeben: Es regnet hinein, Fenster und Fußböden sind marode. Dass die Saga die Wohnungen extra verkommen lasse, um dann abzureißen – diesen Argwohn der Anwohner kann die Wohnungsbaugesellschaft nicht zerstreuen. Man bekenne sich „zur sozialen Verantwortung im Stadtteil“, behauptet Sies zwar, jedoch könne er derzeit „keine Auskunft über unsere künftigen Pläne mit diesen Häusern machen“.

Anders sieht es mit den sanierten Häusern in der Langen Straße 33 und 38 aus. Sie gehören zu den 25 Prozent der Saga-Immobilien auf St. Pauli-Süd, die Sies als „nicht preisgebunden“ beziffert. Hier ist saftigen Mieterhöhungen Tür und Tor geöffnet. Sies spricht selbst davon, dass „das Erhöhungen sind, die den Mietern auch weh tun werden“. Solche Maßnahmen seien allerdings unverzichtbar, weil auch die Saga rentabel wirtschaften müsse: „Wir unterliegen als Unternehmen genau denselben Zwängen wie die Holsten-Brauerei oder jedes andere Unternehmen.“

Die Ängste der Mieter in St. Paulisind so nicht zu zerstreuen. Ihr Ärger über den fehlenden Service der Saga auch nicht. Fenster, die seit fünf Jahren undicht sind, Wasserschäden, die seit langem ignoriert werden – fast jeder der erschienenen Anwohner hatte etwas beizutragen. „Es geht nicht nur um billigen Wohnraum, es geht auch um Wohnqualität“, klagt eine, die sich selbst als „seit Jahren frustrierte Mieterin“ bezeichnet.

Für Adrian Winnefeld von Mieter helfen Mietern sind das „wirklich keine Einzelfälle“. Er habe immer wieder von Mietern gehört, dass „1983 saniert wurde und seitdem kein Handwerker sich mehr blicken lässt“. Die Gemeinwesenarbeit GWA St. Pauli hat 74 Haushalte in der Langen Straße nach ihren Erfahrungen mit der Saga befragt und konnte sich vor Beschwerden über ausgebliebene oder schlecht ausgeführte Sanierungen kaum retten.

Sies versucht mit Hinweis auf „begrenzte Mittel“ abzuwiegeln. Aus dem Publikum kommt als Antwort der Hinweis: Man habe Zeitungsausschnitte von 1975 gesehen, in denen die baldige Sanierung der Häuser an der Trommelstraße versprochen worden sei. Fast 30 Jahre später ist immer noch nichts passiert.

Auch St. Pauli-Pastor Sieghard Wilm sorgt sich um die Zukunft des Stadtteils. „Für uns als Kirche ist es wichtig, dass der Frieden im Stadtteil erhalten bleibt“, sagt er. Mehrere Anwohner berichten bereits, dass ausländische Familien es immer schwerer hätten, in dem Viertel zwischen Pinnasberg und Silbersackstraße Wohnraum zu finden. In den Wohnungen in der Langen Straße, berichtet einer, „wohnen jetzt schon ganz andere Leute als vor der Sanierung“.

Die Saga beteuert, man werde nach wie vor alles dafür tun, „dass es auch weiterhin bezahlbaren Wohnraum für Arbeiter und kleinen Leute auf St. Pauli gibt.“ Sies: „Natürlich gibt es aber einen kleinen Anteil von Wohnungen, die massiv teurer werden.“

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