MÖLLEMANNS RESSENTIMENT-POLITIK IST EIN OPPOSITIONSPROGRAMM: Desaster 18
Projekt 18 ist ein PR-Desaster. Lange beeindruckte die FDP durch ihr Selbstbewusstein – jetzt wirkt sie größenwahnsinnig. Zudem gilt als Scheitern, was eigentlich ein Erfolg ist: 8 Prozent prognostizieren die Meinungsumfragen; das ist nicht schlecht für diese Minipartei, die oft genug die Fünfprozenthürde geschrammt hat.
Dass das Projekt 18 längst ein Witz auf eigene Kosten ist – das weiß auch der Vater dieser PR-Aktion, Jürgen Möllemann. Also startete er eine Rettungskampagne, indem er sich erneut als „Tabubrecher“ inszenierte: Auf einer Wahlkampfveranstaltung in Aachen attackierte er wieder einmal Michel Friedman, den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden. Von ihm lasse er sich nicht daran hindern, Scharons Siedlungspolitik als kriegstreiberisch zu brandmarken.
Diese Äußerung ist nicht antisemitisch, aber sie zielt auf Antisemiten: Sie bedient ihre dumpfe Vermutung, die Juden würden globale Zensur ausüben. Dieser Mechanismus funktioniert, obwohl es das Tabu nicht gibt, das angeblich gebrochen wird. Scharon wird ständig kritisiert, auch in Deutschland. Aber das ist egal für eine Politik des Ressentiments: Unbewiesene Behauptungen reichen aus.
Möllemanns Rettungskampagne wird bis zur Bundestagwahl wohl folgenlos bleiben. Zu spät, zu zögerlich hat er diesen rhetorischen Fallschirm aufgespannt. Zudem agieren die Liberalen nicht geschlossen genug, um die autoritätsfixierten Protestwähler anzusprechen.
Dennoch bleibt Möllemanns Diagnose richtig: Das Projekt 18 wird nur real, wenn die FDP auf Ressentiments setzt. Allerdings, aus historischen Gründen, ist der Antisemitismus ungeeignet. Zugkräftiger, das zeigen Haider oder Fortuyn, sind die Themen Sicherheit und Einwanderung.
Ob die FDP diese Anregung übernimmt, wird sich nach der Bundestagswahl zeigen: Gerät die FDP in die Regierung, bleibt sie zunächst wohl die Partei, die wir kennen. Seriös – und bei knapp über 5 Prozent bei weiteren Wahlen. Denn Ressentimentpolitik ist ein Oppositionsprogramm. Bleibt die FDP jedoch außen vor – dann müssen die Liberalen entscheiden, ob sie Möllemann folgen oder Projekt 18 kippen. ULRIKE HERRMANN
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