Druck ausgeübt wie eine Kolonialmacht

In Kopenhagen tagt seit gestern der „Tschetschenische Weltkongress“. Moskau wollte das verhindern. Doch die Dänen blieben standhaft

KOPENHAGEN dpa ■ Das blutige Ende der Moskauer Geiselnahme und nicht zuletzt auch massive Drohungen aus dem Kreml haben einem Treffen des Tschetschenischen Weltkongresses in Kopenhagen zu unerwartetem internationalen Interesse verholfen. Nachdem die russische Regierung Dänemark und der EU mit der Absage eines Besuchs von Präsident Wladimir Putin Mitte November gedroht hatte, konnte die kleine dänisch-tschetschenische Gesellschaft den Ansturm von Medienvertretern kaum noch bewältigen. Eine Woche zuvor waren eigentlich nur die 100 Teilnehmer von exiltschetschenischen Gruppen sowie Politiker und Journalisten aus Moskau angemeldet, die hier miteinander über Wege zu einer Verhandlungslösung sprechen wollten.

„Die russische Regierung hatte auch schon vor der Geiselaktion massiv Druck gemacht, damit das Treffen von der Regierung hier verboten wird“, berichtete einer der dänischen Mitveranstalter und fühlte sich an das Verhalten von Kolonialmächten erinnert. Dass die Kopenhagener Regierung sich der Verbotsforderung unter keinen Umständen beugen würde, stand in Dänemark außer Frage. Die Zurückweisung durch Außenminister Per Stig Møller fiel denn auch am Wochenende klar aus.

Der Kreml legte aber am Wochenende nach, warf den Dänen als amtierender EU-Ratspräsidentschaft gar „Komplizenschaft“ mit tschetschenischen Terroristen vor und wollte auch gleich die unmittelbar vor dem inzwischen abgesagten Staatsbesuch vorgesehene Begegnung des Kremlchefs mit der EU-Spitze in der dänischen Hauptstadt absagen. Eine politische Krise zwischen der gesamten EU und Moskau wollten die Dänen nicht riskieren. Noch in der Nacht zum Montag berief Møller den außenpolitischen Ausschuss des Folketing ein und verkündete die Verlegung des EU-Treffens mit Putin nach Brüssel. Die Luft solle nicht „verpestet“ werden, lautete seine Begründung.

Das zweitägige Treffen des Tschetschenischen Weltkongresses konnte wie geplant stattfinden. Ohne erkennbare Sicherheitsvorkehrungen und in kleinem Rahmen distanzierten sich die Teilnehmer hier erwartungsgemäß von der Moskauer Aktion gegen mehr als 800 zufällige Theaterbesucher. Sie nannten die Geiselnahme aber stets in einem Atemzug mit dem Vorgehen des russischen Militärs gegen die Zivilbevölkerung der Kaukasusregion, das Achmed Sakajew als „persönlicher Beauftragter“ des untergetauchten Tschetschenenpräsidenten Aslan Maschadow als „Völkermord“ einstufte.

Vor allem Sakajews angekündigter Auftritt hatte den Kreml in Rage gebracht. Sakajew äußerte sich bitter über das fast totale Schweigen der westlichen Staaten zu russischen Menschenrechtsverletzungen in seiner Heimat seit dem 11. 9. 2001, blickte aber doch auch mit einem Quäntchen Hoffnung in die Zukunft: „Für Frankreichs Präsident Charles de Gaulle war es im Algerienkrieg und für mehrere US-Präsidenten in Sachen Vietnam sehr schwer, sich an einen Verhandlungstisch zu setzen. Sie haben es trotzdem getan.“