Geprüfte Umfaller

Zum ersten Mal ist eine Windkraftanlage samt Betonfundament beim Sturm umgekippt. Experte stellt Sicherheit generell in Frage. Grüne Michaele Hustedt sieht aber keine Gefahr für Menschen

„Nicht übertreiben. Windräder sindvon Häusernweit entfernt.“

von HANNA GERSMANN

70 Meter ragte die Windmühle im Windpark Ellenstedt in der Nähe von Vechta in die Höhe. Wie die anderen rund 12.000 Windkrafträder in Deutschland war sie standfest im Betonsockel verankert und für die statische Belastung einer so genannten Jahrhundertböe ausgelegt – nahmen Windexperten an. Bis eine Orkanböe des Sturmtiefs Jeanett Montagnacht das Windrad samt dem Fundament einfach umkippte.

Der Zwischenfall ist Wasser auf die Mühlen der Windkraftgegner. Denn eines ihrer Argumente ist mangelnde Sicherheit. So warnen sie etwa vor abbrechenden Flügeln, die weit fliegen, Häuser und Autos durchbrechen könnten.

Am Montag wurde kein Mensch verletzt. 750.000 Euro Schaden, so lautet die erste Bilanz. Noch ist unklar, ob es nur ein Einzelfall war oder ob bei künftigen Stürmen weitere Windanlagen wie Bäume entwurzelt werden können. Das Vertrauen in die Sicherheit ist auf jeden Fall erst einmal dahin.

„Eine einfache Erklärung gibt es dafür nicht“, sagt Johann Götz von GET project in Kiel. Das Ingenieurbüro ist Nachfolger der mittlerweile Pleite gegangenen GET, die 1997 das Windrad gebaut und errichtet hatte. Mit der überirdischen Anlage selbst habe der Schaden auf jeden Fall nichts zu tun, so Götz. Möglicherweise seien bei den Berechnungen für die Statik Fehler passiert. Also weniger ein Konstruktions- als ein Verankerungsproblem.

Außer in Mooren werden Windkraftanlagen flachgründig, mit Betonplatten im Boden, aufgestellt. Bisher war das unproblematisch. „Hier entsprach das Fundament aber nicht den Regeln“, bestätigt Bernhard Richter von der Germanischen Lloyd in Hamburg. Diese Organisation nimmt weltweit Windkraftanlagen technisch ab. Auch er spricht von einer Ausnahme. Für die anderen Anlagen bestehe wohl keine große Gefahr.

Dennoch ist er schon seit vielen Jahren davon überzeugt, dass für die Sicherheit solcher Windmühlen mehr getan werden kann und muss. Der Mangel liegt seiner Meinung nach vor allem in der Prüfung der Anlagen, weil dafür „nicht hinreichend qualifizierte Sachverständige von den Bauämtern akzeptiert werden“.

Zunächst lässt der Hersteller eine Typenprüfung machen: Wie stark schwingt die Windmühle, wie standsicher ist sie. Damit geht er zum Bauamt. Das wiederum müsste etwa Boden, Wind, Fundament und Statik begutachten. Inwieweit sich Aufsteller und Prüfer aber an die Regeln hielten, sei unklar, so Bernhard Richter. So könnte zum Beispiel der Hersteller der umgekippten Anlage schlichtweg falsche Angaben zu den Lasten des Windrades gemacht haben. Länder wie Frankreich und Spanien oder die USA hätten viel schärfere Richtlinien für Technik und Verankerung.

Michaele Hustedt, energiepolitische Sprecherin von Bünd- nis 90/Die Grünen, sieht aber noch keine Notwendigkeit zu handeln. „Nicht übertreiben“, rät sie. „Windkraftanlagen werden immer in deutlicher Entfernung zu jeglicher Wohnbebauung errichtet.“ Sobald sich herausstelle, dass es sich nicht um einen Einzelfall handele, werde geprüft, was zu ändern sei. Abwarten bis zum nächsten Sturm.