: Das Profil der Lämmer
Der Menschenjagd erster Teil: Brett Ratner erzählt mit seinem Thriller „Roter Drache“ die Vorgeschichte zu „Das Schweigender Lämmer“. Sir Anthony Hopkins spielt sich noch einmal selbst – und Edward Norton gibt als FBI-Ermittler die Jodie Foster
von HARALD PETERS
Endlich ist die Trilogie im Kasten. Dr. Hannibal Lecter sitzt noch einmal im Verlies – vor ihm ein tapferer FBI-Agent, der in Lecters gedrechselter Rede ängstlich nach verborgenen Hinweisen sucht, zwischen ihnen das dicke Panzerglas mit den formschönen Luftlöchern zum Atmen. Denn in den Staaten geht wieder ein Serienkiller um und tötet bei Vollmond Familien. Weil seine Taten die Grenzen des gesunden Menschenverstandes dramaturgisch angemessen überschreiten, hat die zuständige Behörde eine clevere Idee: Sie bezieht den Rat eines klugen Kranken erstmals in die Ermittlungen ein. Denn bekanntlich war Lecter einst ein anerkannter Kriminalpsychologe, der allerdings im Zuge seiner Forschungen zu dem Schluss kam, dass Menschen so dumm wie Schlachtvieh seien, weshalb im Grunde nichts dagegen spräche, sie auch wie Schlachtvieh zu behandeln. Dann nahmen die Dinge ihren Lauf, die alsbald zu den „Lämmern“ und „Hannibal“ führten.
Zwar ist „Roter Drache“, der erste von Thomas Harris’ drei Hannibal-Lecter-Romanen, bereits 1986 ganz ordentlich von Michael Mann als „Manhunter“ verfilmt worden, doch weil Sir Anthony Hopkins darin nicht den Lecter gab, hieß es bei dem verantwortlichen Produzenten Dino de Laurentis wohl, dass der Film nicht richtig zählt. Es passte in diesem Zusammenhang gut, dass nur wenige „Manhunter“ kennen und einem Gewinn bringenden Remake daher nichts im Wege war. Zur Durchführung standen neben dem unvermeidlichen Sir Anthony Hopkins hochkarätige Darsteller wie Edward Norton (als sensibler Ermittler), Harvey Keitel (als bulliger Vorgesetzter), Ralph Fiennes (als Serienkiller) und Emily Watson (als vor Liebe blinde Blinde) bereit.
Da nicht nur das Drehbuch vom „Lämmer“-Autor Ted Telly stammt, sondern auch das Set-Design von Kristi Zea („Das Schweigen der Lämmer“), die Art Direktion von Tim Galvin („Das Schweigen der Lämmer“), die Kulissen von Karen O’Hara („Das Schweigen der Lämmer“) und die Kamera von Dante Spinotti („Manhunter“), darf man sich wundern, dass „Roter Drache“ nur bedingt zu einem neuen „Schweigen“ wurde.
Dabei hat sich Regisseur Brett Ratner („Rush Hour“) alle Mühe gegeben, Jonathan Demmes Film bis ins Detail zu kopieren – mitunter mit identischen Kamerafahrten, Einstellungen und Überraschungseffekten. Selbst Edward Norton kommt als Agent Will Graham wie Jodie Fosters als Agent Clarice Starling daher, eine Aufgabe, an der Julianne Moore in „Hannibal“ erst unlängst scheiterte. Da auch Sir Anthony Hopkins sich als Lecter nur noch selbst imitiert, ist der Film ein künstlerischer Totalschaden auf gleichwohl handwerklich höchstem Niveau. Allein die solide Langeweile, die „Roter Drache“ verströmt, versteht die Zuschauer noch zu verstören. Gut, dass die Trilogie jetzt im Kasten ist. Mögen die Lämmer in Frieden ruhen.
„Roter Drache“. Regie: Brett Ratner. Mit Sir Anthony Hopkins, Edward Norton, Ralph Fiennes, Harvey Keitel, Emily Watson u. a., USA 2002, 124 Min.
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