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Goldene Zeiten für Uniformierte

Die russischen Behörden nutzen die angespannte Situation, um Bürger „kaukasischer Nationalität“ noch mehr als sowieso schon immer zu drangsalieren

aus Moskau KLAUS-HELGE DONATH

Die russischen Sicherheitsorgane überschlagen sich – zumindest in ihrer Informationspolitik. So wollen Mitarbeiter der Verkehrspolizei bei Routinekontrollen schon am Dienstag fünfzehn Verdächtige festgenommen haben. Die Sicherheitsorgane stoppten einen Mercedes-Bus, in dem drei Frauen und zwölf Männer saßen. Nach Angaben der Polizei stimmten die Autokennzeichen aus der Republik Tschetschenien nicht mit den Wagenpapieren überein. Bei einer genaueren Untersuchung des Kofferraums noch an Ort und Stelle hätten die Kontrolleure angeblich auch noch Spurenelemente des Sprengstoffes TNT entdeckt. Die Mehrheit der Arrestierten seien Tschetschenen gewesen. Versuche, bei den verantwortlichen Stellen eine Bestätigung dieser von der Agentur Interfax vertriebenen Meldung zu erhalten, schlugen fehl. Die Pressestellen verweisen auf die Staatsanwaltschaft. Doch die ist noch auskunftsunwilliger.

Diese Art der Erfolgsmeldungen ist wohl auch eher Fiktion. Die Hyperaktivität simuliert Kompetenz, Engagement und Patriotismus – Eigenschaften, durch die sich der russische Sicherheitsapparat ansonsten nicht auszeichnet. Unter Berufung auf Regierungskreise meldete auch die BBC, mehrere Mitarbeiter der russischen Sicherheitsorgane seien inzwischen wegen des Verdachts der Kollaboration festgenommen worden. Die Moskauer Staatsanwaltschaft spricht demgegenüber von lediglich zwei Verdächtigen, die bereits bei der Erstürmung des Theaters am Sonnabend arrestiert worden seien. Das Innenministerium wiederum hat gestern die Nachricht dementiert, wonach ein Polizist den Geiselnehmern geheime Informationen zugespielt haben sollte. Seit Montag hatte die Iswestija darüber berichtet und sich auf Quellen im Moskauer Geheimdienst FSB und im Moskauer Umland berufen. Fazit: Entweder tappen die Untersuchungsbehörden nach wie vor im Dustern. Oder es soll auch in diesem Fall etwas vertuscht werden. Inzwischen dürften die Sicherheitsbehörden längst noch einen anderen Auftrag erhalten haben: Imagekorrektur. Dem anfänglichen Erfolg und den Lobpreisungen im Ausland folgen allmählich verhaltenere Töne. Zu auffällig waren die restriktive Informationspolitik und die Geheimniskrämerei um die Konsistenz des eingesetzten Gases, das mindestens 119 Geiseln das Leben kostete. So beklagten die Komsomolskaja Prawda und Moskowski Komsomolez, amerikanische Zeitungen würden peinlichst darauf achten, dass Russlands 23. Oktober nicht in einem Atemzug mit dem 11. September genannt würde. Nur der französische Präsident Chirac habe durch einen langen Brief seine Solidarität bekundet, stellte die Iswestija fest. Gestern hatten 434 Geiseln die Krankenhäuser verlassen. An den Trauerfeierlichkeiten für die 43 Opfer, die gestern in Moskau beigesetzt wurden, nahmen keine Regierungsvertreter teil. Jede betroffene Familie erhält aus der Staatskasse ein Trauergeld von 3.000 Euro.

Die Behörden nützen die landesweit erhöhten Sicherheitsmaßnahmen, um die in Russland unbeliebten Bürger „kaukasischer Nationalität“ noch mehr als gewöhnlich zu schröpfen und zu drangsalieren. Der Moskowski Komsomolez schreibt über die Situation in der Hauptstadt, von einer Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen könne nach dem Terrorakt keine Rede sein. Die Sicherheitsorgane bestehlen und erpressen die Leute wie eh und je. Allerdings, so räumt das Massenblatt ein, seien im Moment „goldene Zeiten“ angebrochen. Es reiche ein Fleck auf dem Oberhemd, um zur Kasse gebeten zu werden.

Der tschetschenische Dumaabgeordnete Aslambek Aslachanow erhält unterdessen täglich hunderte von Hilferufen aus allen Regionen der Russischen Föderation, wo ein Spießrutenlauf für Dunkelhäutige veranstaltet wird. Noch ist unklar, ob es sich um eine konzertierte, vom Kreml gesteuerte landesweite Aktion handelt. Offenkundig werden Anstalten unternommen, eine zentrale „Tschetschenenkartei“ auf Grundlage der Fingerabdrücke anzulegen. Wer sich weigert, so Aslachanow, werde mit Gewalt gezwungen.

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