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Westerwelles Schein trügt

Büro des FDP-Chefs war vor Möllemanns antiisraelischer Flugblattaktion gewarnt. Hinweis angeblich nicht weitergegeben. Schatzmeister Rexrodt entdeckt neuen Spendenschwindel

BERLIN taz ■ Bei der FDP jagt eine Hiobsbotschaft die nächste. Parteichef Guido Westerwelle musste gestern einräumen, dass sein Büro bereits eine Woche vor der antisemitischen Flugblattaktion seines Rivalen Jürgen Möllemann gewarnt worden war. Der Brief eines „aufmerksamen Parteifreundes“ aus Nordrhein-Westfalen sei am 9. September in der Parteizentrale eingegangen, aber nicht an ihn weitergegeben worden. Dass ihn seine Mitarbeiter nicht von den Plänen Möllemanns informierten, sei „eindeutig ein Fehler“ gewesen, sagte Westerwelle. Zwei Mitarbeiter habe er deshalb gestern „von ihren Funktionen entbunden“.

Westerwelle nahm seine Mitarbeiter teilweise in Schutz. Sie hätten ihn „sicher nicht absichtlich“ in Unwissenheit gelassen. Der FDP-Chef gab zu bedenken, vor der Wahl seien „tausende von Briefen“ angekommen. Die Brisanz des Briefes muss den beiden Mitarbeitern trotzdem aufgefallen sein. Denn sie schmissen ihn nicht in den Papierkorb, sondern leiteten ihn mit der Bitte um Stellungnahme an den damaligen NRW-Landesgeschäftsführer Kuhl weiter – einen engen Möllemann-Freund.

Doch damit nicht genug: Auch FDP-Bundesschatzmeister Günter Rexrodt hatte gestern eine Neuigkeit, „bei der es mir schwer fällt, die Nüchternheit zu bewahren“. Die Prüfung der Finanzen des NRW-Landesverbandes habe ergeben, dass es nicht nur auf dem bereits bekannten Sonderkonto Möllemanns für die Flugblattaktion ungeklärte Spendeneingänge gab. Auch auf dem offiziellen Konto des NRW-Landesverbandes bei der Deutschen Bank gebe es Vorgänge, die „zur Besorgnis Anlass“ gäben. Vom 10. September bis zum 14. Oktober habe es Bewegungen gegeben, die angesichts des „Zahlungsmusters und der Zahlungsdichte“ vermuten ließen, dass sie gegen das Parteiengesetz verstoßen. Insgesamt seien 113.000 Euro eingegangen, ein großer Teil davon als Barzahlungen. Westerwelle sagte: „Das sind außerordentlich ärgerliche, Besorgnis erregende und vielleicht sogar schockierende Vorgänge.“ Wie Rexrodt weiter mitteilte, habe sich NRW-Landesschatzmeister Andreas Reichel erst am Montag erstmals mit den Bewegungen auf dem Konto der Partei befasst. Gestern sei Reichel „nicht erreichbar“ gewesen.

Unklar ist auch, wo sich Möllemann derzeit aufhält. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf will gegen den früheren nordrhein-westfälischen FDP-Vorsitzenden jetzt ein Ermittlungsverfahren einleiten. LUKAS WALLRAFF

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