: Arme fordern Recht auf Verschmutzung
Klimakonferenz in Delhi: Indien will Wirtschaftswachstum statt Klimaschutz. Applaus aus USA, Kritik von Europa
BERLIN/DELHI taz/rtr ■ Gastgeber Indien hat auf dem Klimagipfel in Neu-Delhi darauf bestanden, die Entwicklungsländer hätten ein Recht auf den ungebremsten Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid. Man könne von den ärmsten Ländern nicht verlangen, das Geld für Klimaschutzmaßnahmen aufzubringen, sagte der indische Premierminister Atal Behari Vajpayee zur Eröffnung des „Minister-Segments“ bei der Tagung. „Klimaschutzmaßnahmen würden unsere ohnehin schwachen Volkswirtschaften noch stärker belasten und damit verhindern, dass wir höheres Wirtschaftswachstum erreichen, um die Armut zu bekämpfen.“
Umweltminister aus über 80 Staaten verhandeln in Delhi über Details des Kioto-Protokolls zum Klimaschutz wie etwa die Anerkennung von Waldgebieten als Kohlendioxid-Speicher, Messmethoden und die Verteilung von Geld für Anpassungsmaßnahmen. Inoffiziell geht es aber auch darum, wie nach dem Zeitrahmen von Kioto der Klimaschutz weitergehen soll. Wie etwa lassen sich die rasant steigenden CO2-Ausstöße von Schwellenländern wie Indien, China oder Brasilien begrenzen?
Eine Einigung ist in Delhi nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil. So attackierte die EU den Vorschlag Indiens für eine Abschlusserklärung als zu weich, weil darin das Kioto-Protokoll nicht einmal erwähnt wurde.
Auch die Politik der USA sorgt auf der Konferenz weiterhin für Aufregung. Die US-Delegation vermeldete, trotz des Ausstiegs aus dem Kioto-Protokoll habe das Land als der größte Verbraucher von fossilen Brennstoffen und größte CO2-Verschmutzer seine Emissionen 2000 um 2,7 Prozent gesenkt. Im Übrigen schlugen sich die USA auf die Seiten der Entwicklungsländer: Es sei kontraproduktiv, sie auf allzu große Anstrengungen beim Klimaschutz zu verpflichten, die ihre Wirtschaft belasteten. Mit genau dem entgegengesetzten Argument hatten die USA 2001 das Kioto-Protokoll verlassen. Damals hatte Präsident Bush erklärt, es sei nicht hinzunehmen, dass Kioto den Entwicklungsländern einen Freischein zur Verschmutzung ausstelle.
Bundesumweltminister Jürgen Trittin wandte sich gestern gegen die amerikanische Haltung. Er hielt seine Rede im Anschluss an die US-Unterhändlerin Paula Dobriansky. Diese hatte gewarnt, Klimaschutz belaste die Wirtschaft ihres Landes. „Darauf habe ich eine einfache Antwort“, so Trittin. „Es kostet am meisten und fügt der Wirtschaft den größten Schaden zu, wenn wir im Kampf gegen den Klimawandel versagen.“ BPO
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