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Schmidt im Rettungswagen-Tempo

Die Gesundheitsministerin warnt: Ab 7. November schon werden die Kassenbeiträge eingefroren und der Kassenwechsel erschwert. Im Bundestag empört sich die Union: Mit dieser Geschwindigkeit verletze Schmidt alle parlamentarischen Regeln

aus Berlin JEANNETTE GODDAR

Die einzige Bewährungsprobe, die die rot-grüne Regierung in der Gesundheitspolitik bisher bestand, war eine unfreiwillige: Als die Union bei der gestrigen Bundestagsdebatte die Anwesenheit des Kanzlers beantragte, hielt die rot-grüne Mehrheit. Der erste wegen der Knappheit des Ergebnisses nötig gewordene Hammelsprung der Legislaturperiode ergab: 218 Abgeordnete gingen durch die Tür der Antragsteller, 266 durch die der Regierungskoalition.

In allen anderen Punkten wird sich die Durchsetzungsfähigkeit Ulla Schmidts, nun Gesundheits- und Sozialministerin, noch erweisen – das aber bald. Bis zum 7. November wird sich zum Beispiel herausstellen, wie viele Versicherte in den gesetzlichen Krankenkassen verbleiben. Dann nämlich tritt die Regelung in Kraft, nach der nur Versicherte, die mehr als 3.825 Euro brutto verdienen, zu einer Privatversicherung wechseln dürfen. Allein im ersten Halbjahr 2002 verzeichneten die Privaten 100.000 neue Mitglieder. Ebenfalls ab 7. November dürfen Krankenkassen ihre Beiträge nicht mehr erhöhen. Auch eine Erhöhung im Schnellverfahren soll verhindert werden – neue Sätze müssen bis dahin genehmigt werden.

Nachdem Ärzte- und Pharmalobby bereits massiven Widerstand gegen das Sparpaket – das 3,5 Milliarden Euro bringen und so Beitragserhöhungen verhindern soll – angekündigt hatten, war gestern die Opposition dran: Schmidt errichte „eine Mauer um Krankenversicherte“, warf ihr der Vizevorsitzende der CDU/CDU-Fraktion Horst Seehofer vor. Die Lage der Krankenkassen sei „Ergebnis verfehlter Politik“, die deutsche Sozialversicherung erlebe die „größte Krise ihres Bestehens“. Das Vorschaltgesetz, das außer den Krankenkassen-Regelungen unter anderem eine Nullrunde für Ärzte sowie eine Rabattpflicht für Pharmafirmen vorsieht, binnen zwei Wochen „durchpeitschen“ zu wollen, verletze alle parlamentarischen Regeln.

Schmidt selber, die angesichts der Tatsache, dass ihr lange überhaupt keine neue Amtsperiode zugetraut wurde, mit erstaunlicher Angriffslust gegenüber den mächtigen Lobbygruppen ans Werk geht, warb um Zustimmung nicht nur für das Vorschaltgesetz. Eine „große Strukturreform“ solle nun endgültig folgen – mit dem Ziel, dass „jeder Euro optimal ausgegeben wird“. Zu diesem Zweck wolle man in der Gesundheitspolitik den Wettbewerb, aber auch die Eigenverantwortung der Menschen fördern – und zwar ohne dass die immer mehr „privat auf den Tisch legen“ müssten.

Schritte zur Förderung des Patienten als mündiger Bürger kündigte für die Grünen Birgitt Bender bei ihrer ersten Rede als gesundheitspolitische Sprecherin im Bundestag an. Die Patientenquittung, die Aufschluss über die Behandlungskosten gibt, soll eingeführt und die Anhörungsrechte von Patienten verbessert werden. Ob mit Letzterem Ernst gemacht wird, dürfte sich bald herausstellen – nämlich dann, wenn die Besetzung der Gesundheitskommission nach Hartz-Vorbild bekannt wird.

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