: Märchen für Unternehmer
Selbstfindung zur Selbständigkeit: Das Gründer-Fitness-Center versucht aus den ureigensten Ideen und Potenzialen von Menschen vermarktbare Konzepte zu machen. „Gut für die Demokratie“
von GERNOT KNÖDLER
Für Katja Paschen, 51, fünffache Mutter, ausgebildete Kindergärtnerin, Sonderschullehrerin und Therapeutin, war das Maß voll, als sie ihr beim Arbeitsamt sagten, man könne sie allenfalls zur Altenpflegerin umschulen. „Wenn man da gesagt kriegt, ‚Sie sind zu alt‘, dann denkt man: Die sind ja nicht ganz gescheit!“, sagt Paschen. Das ist mehr als ein Jahr her. Inzwischen ist sie selbständig und dabei, sich als Unternehmensberaterin zu etablieren.
Paschens Weg in die Selbständigkeit führte über das Altonaer Gründer-Fitness-Center (GFC). Die Starthilfe-Organisation für Existenzgründer ist ein Kind der grünen Heinrich-Böll-Stiftung und deren Bildungsträger Umdenken. „Ich musste sehen, wie ich irgendwie zu irgendwas komme“, erzählt sie. Freundinnen hatten ihr vom GFC berichtet und dessen Konzept, die Ideen und Fähigkeiten potenzieller Gründer aufeinander zu beziehen und daraus Existenzen zu schnitzen. Paschen ist davon auch im Nachhinein noch begeistert – eine andere Teilnehmerin hätte es dagegen lieber knackiger und konkreter gehabt.
Paschens Idee war das Märchen-Erzählen. „Ich hätte mich alleine nicht getraut“, erinnert sie sich – obwohl es in Deutschland 500 registrierte Märchenerzähler gebe. Die Workshops und die Begleitung durch das Gründer-Center halfen ihr, sich auf ihre ureigenen Potenziale zu besinnen. Heute sagt sie: „Ich bin jemand, der gern auf die Bühne geht“, und: „Es hat sich ergeben, dass ich gewisse Führungsqualitäten habe.“
Paschen begann damit, Märchen in Schulen, Kindergärten und bei Geburtstagsfeiern zu erzählen. Dann verknüpfte sie das Märchen-Erzählen mit ihren therapeutischen Fähigkeiten, und irgendwann sprach sie ein Bekannter an, ob sie ihn mit den Märchen nicht bei der Unternehmensberatung unterstützen wolle. Die Reaktionen auf ihre Arbeit seien so positiv gewesen, „dass ich mich bestärkt fühle, da weiterzumachen“.
Ähnlich bestärkt gefühlt hat sich Dieter Bensmann, nachdem er für umdenken einen Startup-Workshop angeboten hatte und sich vor Anmeldungen kaum retten konnte. „Ich hab‘ noch nie so viele und so differenzierte Rückmeldungen bekommen wie in diesem Workshop“, erinnert er sich. Er besorgte sich und seinem Partner, dem Unternehmensberater Conrad Bölicke, eine Förderung durch den Europäischen Sozialfonds und die Wirtschaftsbehörde. Bis Ende April 2004 haben sie Zeit, ihr Gründertraining zu einem Geschäft zu machen, das sich selbst trägt.
Was Bensmann, der auf eine links-alternative Biographie zurückblicken kann, an der Sache reizt, ist nicht zuletzt deren emanzipatorische Wirkung. „Wenn es funktioniert, wäre es ein Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft“, sagt er. Das GFC soll den Teilnehmern beibringen, sich zuzutrauen, auf eigenen Beinen zu stehen, Kunden anzusprechen, Geld für ihre Produkte und Dienste zu verlangen und zu erkennen, dass es keine Schande ist, mehr als das Existenzminimum zu verdienen. Und wenn eine Gründung schief laufe, dann gingen die Teilnehmer wenigstens „ökonomisch alphabetisiert“ aus den Kursen, sagt Conrad Bölicke.
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