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Der Abschied fällt schwer

Nicht alle Arten sterben durch Menschenhand, sondern durch die Evolution. So gehen jedes Jahr etwa 25 meist hoch spezialisierte Lebensformen verloren

BERLIN taz ■ Aus Sicht der Evolution hat der Pandabär selbst schuld: Das Tier hat sich als Nahrungsgrundlage auf wenige Sorten Bambus im Nordosten Chinas spezialisiert. Sollte dem Bambus etwas zustoßen, ist auch der Bär geliefert. Anders als andere Bären kann der Panda nicht auf Wurzeln, Beeren, Fische oder Fleisch ausweichen.

„Solche hoch spezialisierten Arten sind immer gefährdet“, sagt Stefan Porembski, Professor am Institut für Biodiversitätsforschung der Universität Rostock. Denn ein gewisses Artensterben ist ebenso wie das Entstehen neuer Arten von Tieren und Pflanzen der normale Gang der Evolution.

„99 Prozent aller Lebewesen, die je gelebt haben, sind ausgestorben und haben damit anderen, besser angepassten Arten Platz gemacht.“ Auch ohne menschliches Zutun verschwinden Arten von der Erde. Experten schätzen, dass auf natürliche Weise zwischen 3 und 25 Arten pro Jahr aussterben. Der Mensch beschleunigt diesen Prozess allerdings um das Tausend- bis Zehntausendfache.

„Lebewesen haben so etwas wie eine evolutionäre Laufzeit“, erklärt Wilhelm Barthlott, Professor am Botanischen Institut der Universität Bonn. „Wenn diese Laufzeit um ist, verschwindet die Spezies.“ So habe der Ginkgobaum etwa 100 Millionen Jahre lang weite Teile Europas, Nordamerikas und Asiens besiedelt, doch „in den letzten 15 Millionen Jahren ging es rapide bergab“. Der Baum gab sukzessive den Löffel ab und ist heute nur noch als Pflegefall in Parks und Gärten anzutreffen. Den jüngeren Blütenpflanzen ist das altertümliche Nadelgehölz bei der Konkurrenz um Nahrung und Standplätze unterlegen.

Auch bei manchen Tieren läuft die Uhr ab: Der Quastenflossler etwa, ein unlängst erst entdeckter Fisch aus der Urzeit, der noch sehr selten im Indischen Ozean vorkommt, gilt als lebendes Fossil, ebenso das Schnabeltier in Australien.

Die Brückenechse Sphenodon punctatus in Neuseeland wird es auch nicht mehr lange machen.

Und auf den Seychellen fand Biologe Porembski nur noch zwölf Exemplare einer primitiven Blütenpflanze namens Medusagynae oppositifolia, die in den nächsten Generationen dem Untergang geweiht ist. „Wenn es nur noch wenige Exemplare einer Art gibt und diese an einem isolierten Standort vorkommen, wird der Genpool so klein, dass das die Art gefährdet.“

Wenige Exemplare einer Spezies auf kleinem Raum sind anfällig für „ökologische Katastrophen“ wie Überschwemmungen oder Trockenheiten. Und jeder See, der als Folge natürlicher Vorgänge verlandet, könne bislang unbekannte regionale Arten von Kleinstlebewesen oder Pflanzen ins Jenseits befördern, meinen andere Biologen.

Der menschliche Einfluss auf das Artensterben ist allerdings nur sehr schwer zu ignorieren.

Wo der Homo sapiens nicht direkt in die Natur eingreift, indem er seine Acker- und Siedlungsfläche ausdehnt, arbeitet er indirekt an der Veränderung der Umwelt: Die Erwärmung der Atmosphäre und die Überdüngung von Böden und Gewässern sind selbst im entlegensten Winkel noch zu spüren. Und auch indirekt trägt der Mensch zum Artensterben bei.

So stehen laut Porembski auf Mauritius Baumarten, die sich nur fortpflanzen, wenn ihre Samen von dem Riesenvogel Dodo gefressen, verdaut und wieder ausgeschieden werden. Auch für diesen Baum läuft die Zeit bald ab. Denn den Dodo haben die europäischen Siedler ausgerottet.

BERNHARD PÖTTER

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