piwik no script img

Oase zwischen Wohnsilos

Ein Spielplatz in Osterholz-Tenever zeigt, was geht: Hier herrscht Frieden zwischen Kindern, Jugendlichen und lärmempfindlichen Anwohnern. Vor zwei Jahren war alles noch Sandwüste

Bremen schrumpft und „vergreist“. Nein, das „Alterheim der Nation“ wird die Stadt natürlich nicht – für diesen Ausspruch hatte der Bremer FDP-Chef Claus Jäger ganz schön Dresche bezogen. Dabei hatte Jäger nur seine Schlussfolgerungen aus einer Studie des Instituts für Stadt-, Regional- und Wohnforschung „Gewos“ gezogen, die vergangene Woche vorgestellt wurde. Danach sind vor allem junge Familien in den letzten Jahren ins grüne Umland abgewandert. „Was muss sich in Bremens Wohnquartieren ändern, um sie kinder- und familienfreundlicher zu gestalten?“, fragt sich natürlich auch Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD). Deshalb lässt sie derzeit eine Arbeitsgruppe „Spiel und Bewegung“ im gesamten Stadtgebiet Sandkästen aufspüren. Das Ziel: Erkunden, wie es um den Spiel-Standort Bremen steht.

Vergangenen Donnerstag war Ortstermin auf einem Spielplatz an der St.-Gotthard-Straße in Osterholz-Tenever. Mitarbeiter der Sozialverwaltung, Ortsamtsleiter Ulrich Schlüter (CDU), der zuständige Kontaktpolizist, Anwohner und Jugendliche trugen ihre Erfahrungen zusammen. Wie eine kleine Oase liegt der Platz heute zwischen den gräulich-anonymen Wohnsilos, die Herbstsonne strahlt warm auf das großzügig gestaltete Gelände. Mit Felsbrocken, Grashügeln und Baumstämmen wurde hier eine Landschaft im Kleinen für die Kleinen geschaffen.

„Noch vor zwei Jahren war das Gelände eine große Sandwüste mit zwei einsamen Spielgeräten darauf“, erzählt Renate Viets von der Arbeitsgruppe. Die Initiative, den Platz umzugestalten, ging von den Anwohnern selbst aus. Kinder und Jugendliche, aber auch lärmempfindliche Nachbarn wurden in die Planungen mit einbezogen.

Ganz besonders haben die Leute aus Tenever darauf geachtet, dass auch Jugendliche hier ihren Platz finden können. Das ist wohl gelungen: Die Sitzmöglichkeiten aus Holz und Stein sowie der Streetballkorb sind längst zu beliebten Treffpunkten der Teens von Tenever geworden.

Beschwerden über Zigarettenkippen, leere Bierflaschen und nächtliches Gegröle gibt es aber angeblich nicht mehr. Quasi ein Wunder. Und genau das macht den Spielplatz für die Experten-Expedition so spannend. Renate Viets: „Wir wollen wissen, wie man Plätze für ältere Kinder und Jugendliche schaffen kann, die in der übrigen Bevölkerung nicht auf Ablehnung, sondern auf Akzeptanz stoßen.“

Auch der Tenever Kontaktpolizist Holger Intemann lobt: „Vor der Umgestaltung hatten wir oft Beschwerden von Anwohnern über Jugendliche, die auf dem Gelände laut Musik gehört haben. Seit dem Umbau gibt es aus polizeilicher Sicht keinen Ärger mehr. Hier kommen Kinder und Jugendliche unterschiedlichster Nationalitäten friedlich zusammen.“ Die Jugendlichen fühlten sich für den Platz, den sie mitgeplant haben, verantwortlich, die Nachbarn beschwerten sich nicht bei jedem lauten Lachen bei der Polizei, so erklären sich das die Experten. Das ehemalige Sorgenkind im Sorgen-Stadtteil ist zum schmückenden Vorzeigeobjekt geworden. „Besonders hat uns gefallen, dass sich hier Menschen von Null bis 99 treffen“, erklärt Renate Viets.

Auch dass Kinder, Jugendliche und Anwohner an der Planung beteiligt waren, sei ein Ansatz, den man in einen neuen „Aktionsplan“ aufnehmen wolle, der Ende Februar auf dem Tisch liegen soll. Darin soll die Frage beantwortet werden, wie man alle Wohnquartiere von Weser-City kinder- und familienfreundlicher gestalten kann. Ortsamtsleiter Ulrich Schlüter bleibt skeptisch. „Dieses Beteiligungsverfahren kann nur der halbe Weg sein. Man muss im Anschluss auch ernsthaft bereit sein, Geld bereitzustellen. Nichts ist frustrierender für die Leute vor Ort, wenn sie erst angehört und für Ideen begeistert werden – und nach Jahren ist nichts davon umgesetzt worden.“

Anne Ruprecht

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen