: Moskau bleibt „harte“ Beweise schuldig
In Dänemark verhafteter tschetschenischer Politiker Ahmed Sakajew könnte bald freikommen. Asylantrag geplant
KOPENHAGEN taz ■ Der am letzten Mittwoch in Dänemark festgenommene Ahmed Sakajew kann in einer Woche wieder frei sein. Die von Russland vorgelegten „Beweise“ für eine Verwicklung des tschetschenischen Spitzenpolitikers in Terrorhandlungen wurden von der dänischen Justizministerin Lene Espersen am Wochenende als „unvollständig, lückenhaft und nicht einmal formal ausreichend“ bezeichnet. Sollte Moskau keine weiteren Beweise vorlegen, werde Sakajew nicht an Russland ausgeliefert und könne freigelassen werden.
Das könnte schon kommenden Montag der Fall sein. Dann steht ein neuer Haftprüfungstermin für Sakajew an. Eine Fortdauer der Untersuchungshaft wäre nach dänischem Recht nur zulässig, wenn sich die Verdachtsmomente gegen ihn „verstärkt“ hätten. Nach Aussage der Justizministerin scheint es aber so, dass die von Moskau nach Sakajews Festnahme nachgeschobenen „Beweise“ sehr dünn sind und nur allgemeine Behauptungen auf eine Beteiligung an der Moskauer Geiselaktion beinhalten. Die von der russischen Staatsanwaltschaft als zusätzliche Auslieferungsgründe behaupteten angeblichen strafbaren Handlungen Sakajews von 1996 bis 1999 waren, so lässt sich aus Äußerungen der Justizministerin schließen, für die Festnahme Sakajews nicht von Belang: Dieser hatte sich trotz des von Russland erlassenen internationalen Haftbefehls in den letzten beiden Jahren nicht nur in mehreren europäischen Ländern, sondern im November 2001 sogar zu offiziellen Verhandlungen mit russischen Regierungsvertretern in Moskau aufgehalten.
Wenn Dänemarks Regierung nun offenbar versucht zurückzurudern und Sakajew wieder freizulassen, hat dies vor allem auch mit der scharfen einheimischen Kritik zu tun. Nicht nur von der sozialdemokratischen und linkssozialistischen Opposition wird die Regierung beschuldigt, mit der Verhaftung ein „Bauernopfer“ erbracht zu haben, um die russische Kritik an dem Tschetschenienkongress in Kopenhagen zu besänftigen. Auch die Rechtsaußenpartei „Dänische Volkspartei“ stellte zumindest ein Verbleiben von Justizministerin Lene Espersen in ihrem Amt in Frage. Premier Poul Nyrup Rasmussen gestand am Wochenende ein, es seien „eine ganze Reihe von Fehlern begangen“ worden. Dass die Opposition die Minderheitsregierung Rasmussen nicht zum Rücktritt zwingt, hat nach Meinung von Kommentatoren allein damit zu tun, dass Dänemark den EU-Ratsvorsitz inne hat und man mit einer Regierungskrise u. a. nicht die EU-Erweiterung gefährden wolle.
Nach Informationen der Tageszeitung Berlingske Tidende wird Sakajew vermutlich am Dienstag oder Mittwoch einen Asylantrag in Dänemark stellen. Die Zeitung beruft sich auf Tyge Trier, den Rechtsanwalt von Sakajew und Ousman Ferzaouli, Tschetscheniens offiziellen Repräsentanten in Dänemark.
Russland setzt mittlerweile seinen politischen Druck auf Kopenhagen fort. Eine Energiekonferenz in Kaliningrad in der kommenden Woche zwischen der EU und Russland wurde abgesagt. Diese Expertenkonferenz war von Dänemark federführend vorbereitet worden. In einer Erklärung des russischen Energieministeriums wurde zur Begründung auf die Tschetschenienkonferenz in Kopenhagen hingewiesen. REINHARD WOLFF
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