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„Das ist eine sehr subversive Weise“

Stefan Meretz , EDV-Experte für die Gewerkschaft Ver.di, ist Mitbegründer des Oekonux-Netzwerkes. Seiner Meinung nach ist das Prinzip der freien Computersoftware übertragbar auf die Produktion anderer Güter – selbst von Autos

taz: Kann man das kapitalistische System überwinden, wenn man Linux statt Windows auf dem PC installiert?

Stefan Meretz: Wahrscheinlich nicht. Die wirklich interessante Frage für die Oekonux-Veranstalter ist: Kann man die Prinzipien, unter denen freie Software entsteht, gesellschaftlich verallgemeinern?

Also ein Angriff auf die bestehende Wirtschaftsordnung mit Hilfe des Urheberschutzrechtes?

Indirekt schon. Freie Software ist ja eben nicht völlig frei. Sie gehört natürlich zunächst einmal ihrem Autor. Doch der benutzt eine besondere Lizenz wie etwa die „GNU Public License“. Das ist eine sehr subversive Weise, mit dem Urheberschutzrecht umzugehen. Normalerweise dient das dazu, andere von der Nutzung eines Gutes auszuschließen. Der Trick der Public License ist: Man schließt aus, dass andere ausgeschlossen werden. So wird freie Software allgemein verfügbar.

Ausgerechnet an den Universitäten, wo die freie Software ihren Ursprung hatte, gibt es aber jetzt einen starken Gegentrend. Bildung und Forschung werden zur Ware. Kann die Idee der Public License dagegen bestehen?

Die Bildungsprivatisierung wird sicherlich weitergehen. Es gibt es aber auch die parallele Tendenz, Informationsgüter wieder freizugeben. Z. B. werden im Internet vermehrt Netzwerke gegründet, die die freie Veröffentlichung von Forschungsergebnissen ermöglichen. Die Leute sehen einfach nicht mehr ein, sich den Verwertungsinteressen kommerzieller Verlage zu unterwerfen, und sagen: Wir sind unsere eigenen Publisher, wir sind Produzenten und Konsumenten, wir wollen uns das Recht auf freien Austausch wissenschaftlicher Erkenntnis nicht verbieten lassen.

Die Aktivisten des „OScar-Projektes“ wollen mit dem Prinzip der Public License ein Open-Source-Automobil herstellen. Sind solche Pläne wirklich realistisch?

Der informationelle Anteil bei der Produktion von Autos, aber auch von anderen Produkten wird immer größer. Und überall, wo Informationsgüter hergestellt werden, funktioniert das Prinzip der freien Software.

In den 80er-Jahren haben linke Gruppen mit Mailbox-Netzwerken experimentiert, einer Vorstufe heutiger E-Mail-Diskussionsforen. Erlebt diese Form von basisemokratischer Computernutzung durch freie Software nun einen neuen Boom?

In gewisser Weise schon, weil es ja nicht nur um Kommunikation, sondern auch um Produktion im weitesten Sinne geht. Das ist schon eine neue Qualität, eine Potenzierung der Möglichkeiten. Hardt und Negri etwa sprechen in ihrer Buch „Empire“ davon, dass auch Affekte, Zusammenhänge, Netzwerke produziert werden müssen, damit Gesellschaft überhaupt entstehen kann.

Es klingt ein bisschen wie die Ironie der Geschichte, wenn ausgerechnet Programmierer die Gesellschaftsveränderung ins Rollen bringen. Gewerkschaften haben sich daran seit Jahren die Zähne ausgebissen.

Die Gewerkschaften stecken immer noch in der fordistischen Ära fest. Die Individualisten im Softwarebereich machen sich ihre Gedanken seit je völlig unabhängig von großen Organisationen. Freie Software ist da nur eine Idee unter vielen, aber es stecken wahnsinnige Potenzen drin. INTERVIEW: ANSGAR WARNER

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