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Der Kampf um den US-Kongress

In den USA werden heute das Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats gewählt. Daran entscheidet sich, ob Bush freie Hand bei der Umsetzung seiner Politik hat. Der Ausgang ist offen. Die Medien werden sich hüten, vorzeitig Sieger auszurufen

Der Irakkrieg hat zuletzt überhaupt keine Rolle mehr gespielt

aus Washington BERND PICKERT

Es ist der Tag, auf den alle Kandidaten und Kandidatinnen hingearbeitet haben: Wahltag in den Vereinigten Staaten. Neben tausenden lokalen und bundesstaatlichen Repräsentanten und 34 Gouverneuren stehen heute das ganze Repräsentantenhaus und ein Drittel der SenatorInnen zur Wahl und damit auch die Frage, welche Partei in den nächsten zwei Jahren den US-Kongress kontrollieren wird, ob also Präsident George W. Bush bei der Umsetzung seiner Agenda mit Stolpersteinen zu rechnen hat oder nicht.

Bush selbst hat in den letzten Wochen viel Zeit und Steuergelder investiert, um mit der Präsidentenmaschine durchs Land zu fliegen und um Unterstützung für republikanische Kandidaten zu werben. Allein am gestrigen Montag wollte Bush in Iowa, Missouri, Arkansas und schließlich in Texas noch einmal für die republikanischen Kandidaten für Haus und Senat auftreten – in all diesen Bundesstaaten ist die Wahl völlig offen.

Das gilt auch für die Frage, wie Bushs Einsatz eigentlich ankommt. Zwar ist der US-Präsident laut einer vergangene Woche veröffentlichten Umfrage hinter Außenminister Colin Powell der zweitbeliebteste Politiker im Land. Doch politische Kommentatoren erinnern an 1986: Bei den Zwischenwahlen forderte Präsident Ronald Reagan, damals auf dem Höhepunkt seiner Popularität, die Wähler in umkämpften Bundesstaaten auf, „für mich“ den republikanischen Kandidaten die Stimme zu geben – sie verloren alle.

Das allerdings bestätigte nur die Regel: Bei den Zwischenwahlen zur Hälfte der präsidentiellen Amtszeit verliert meist die Partei, die gerade den Präsidenten stellt. Und doch halten es viele Politikanalysen diesmal für wahrscheinlicher, dass die Republikaner den bislang mit knapper Mehrheit demokratisch kontrollierten Senat wiedergewinnen, als dass die Demokraten das Repräsentantenhaus von den Republikanern übernehmen. Die Demokraten hatten darauf gehofft, Punkte zu machen, sobald das Thema Irak aus dem Wahlkampf verschwindet und nationale Themen im Vordergrund stehen. Tatsächlich hat der Irakkrieg in den letzten zwei Wochen überhaupt keine Rolle mehr gespielt, doch haben sich die Republikaner sehr geschickt darin gezeigt, den Demokraten bei all ihren Themen präventiv Paroli zu bieten.

Wie die Wahl ausgeht, ist offen. Sicher ist, dass der Wahlkampf 2002 einen neuen Finanzrekord aufgestellt hat. Die größte republikanische Ausgabemaschinerie war dabei der Wahlkampf des Präsidentenbruders Jeb Bush, der in Florida um seine Wiederwahl als Gouverneur kämpft, auf demokratischer Seite die Unterstützung ihres Kandidaten Tony Sánchez in Texas, der als erster „Hispanic“ das Gouverneursamt anstrebt.

Insgesamt gaben die Parteien etwa 412 Millionen Dollar hard money aus – kontrollierte Parteispenden für den Wahlkampf –, dazu rund 422 Millionen Dollar an soft money, unbegrenzten Spenden von Unternehmen, Gewerkschaften und sonstigen Lobbygruppen. Es dürfte der vorläufig letzte solche Ausgabenrekord sein: Am Mittwoch tritt das neue Gesetz über die Wahlkampffinanzierung in Kraft, das soft money grundsätzlich verbietet.

Beide Parteien sind vor allem darauf angewiesen, ihre eigenen Stammwähler auch tatsächlich an die Wahlurnen zu bringen. War das in der Vergangenheit ein mit immer neuen Ideen und Kampagnen von den Demokraten besetztes Feld, haben sich die Republikaner in den letzten Wahlkämpfen etliches abgeguckt – da werden Wähler auch schon mal persönlich betreut. Zudem haben mehrere Bundesstaaten in den vergangenen Jahren die Möglichkeiten zur Briefwahl ausgeweitet. Dennoch wird mit einer Wahlbeteiligung von unter 40 Prozent gerechnet.

Ob es noch in der Wahlnacht ein endgültiges Ergebnis geben wird, erscheint auch völlig offen: Nicht nur werden die großen Nachrichtensender nach dem Debakel der Präsidentschaftswahl 2000 zögern, erneut vorzeitig Sieger auszurufen. Falls es im Senat wieder um nur eine Stimme gehen sollte, könnte der Bundesstaat Louisiana die Schlüsselrolle spielen: Nach der dortigen Gesetzeslage muss die führende demokratische Senatorin Mary Landrieu die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten – sonst gibt es eine Stichwahl im Dezember.

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