piwik no script img

off-kino Filme aus dem Archiv –frisch gesichtet

Die Erinnerungen meiner Mutter an Oskar Werner sind nicht gerade die besten: Furchtbar herumgenuschelt habe der Mime und überhaupt so leise gesprochen, dass der Theaterabend schließlich in einem Eklat endete, weil er sich arrogant geweigert habe, sein Stimmvolumen auch nur geringfügig zu erhöhen.

Beim Film besaß man den fraglos unschätzbaren Vorteil, dem österreichischen Nuschler das Mikrofon direkt unter die Nase halten zu können, und so machte der Schauspieler, der seine Laufbahn noch während des Zweiten Weltkriegs am Wiener Burgtheater begonnen hatte, auch international Karriere: Seinen Durchbruch erlebte er 1951 als desillusionierter Wehrmachtssoldat, der sich den Alliierten als Spion andient, in Anatole Litvaks US-Produktion „Entscheidung im Morgengrauen“; er spielte den Studenten in Max Ophüls’ Meisterwerk „Lola Montez“ und war – in seiner wohl berühmtesten Rolle – als der Deutsche Jules in François Truffauts melancholischer Dreiecksgeschichte „Jules und Jim“ zu sehen.

Werners Publikumsappeal lag dabei wohl vor allem im Gegensatz zwischen seinem überaus jungenhaften Aussehen und dem grüblerisch-intellektuellen Auftreten, das er zumeist an den Tag legte – nicht umsonst war sein bedeutendster Bühnentriumph der „Hamlet“ gewesen. Am 13. November wäre der 1984 verstorbene Werner achtzig Jahre alt geworden; aus diesem Anlass zeigt das Filmmuseum Potsdam zwei weitere seiner bedeutenden Filme: In Martin Ritts düsterem Agententhriller „Der Spion, der aus der Kälte kam“ (1965) verkörpert Werner den cleveren ostdeutschen Spionagechef Mundt als einen unscheinbaren, jedoch überaus hartnäckigen und intelligenten Mann, der sich ein „Duell“ mit dem britischen Agenten Leamas (Richard Burton) liefert. Bei den Dreharbeiten zum Sciencefiction-Film „Fahrenheit 451“ (1966) kam es zum Streit zwischen Werner und Regisseur François Truffaut: Während Truffaut verlangte, der Mime solle den Feuerwehrmann Montag, der in einem totalitären Zukunftsstaat gegen seinen Auftrag rebelliert, alle Bücher zu verbrennen, möglichst zurückgenommen und „alltäglich“ spielen, wollte Werner lieber gefühlsbetonter zur Sache gehen. Wer sich in der Sache letztlich durchgesetzt hat, mag jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden. Akustisch ist Oskar Werner jedenfalls gut zu verstehen.

„Der Spion, der aus der Kälte kam“ 13. 11.; „Fahrenheit 451“ 12. 11. im Filmmuseum Potsdam

***

Who-Gitarrist Pete Townshend erinnert sich an die Beatles: Bei den frühen Stereoplatten hätte es doch diese Kanaltrennung gegeben – auf dem einen Kanal konnte man die Stimmen hören, auf dem anderen Kanal die Instrumente. Und wenn man den Kanal mit den Stimmen weggedreht habe, dann hätten die Fab Four eigentlich immer ziemlich lausig geklungen. Nun ja, diese Überzeugung muss man zwar nicht unbedingt teilen, doch die Interviews mit Townshend und seinen Bandkollegen Daltrey, Entwistle und Moon, die der Regisseur Jeff Stein in seiner Who-Dokumentation „The Kids Are Alright“ (1979) versammelt hat, sind wirklich sehr witzig und vermitteln – genau wie die Musik – einiges vom aggressiv-rotzigen Stil der Rockgruppe, die Mitte der 60er-Jahre ihre Konkurrenz an Wild- und Verrücktheit bei weitem übertraf, ehe sie sich schließlich ein wenig in der Welt der Rockopern und intellektuellen Konzeptalben verirrte.

„The Kids Are Alright“ 10. 11. im Z-inema

***

Um Rock’n’Roll geht es auch in Frank Tashlins Komödie „The Girl Can’t Help It“ (1956): Den Plot vom etwas dümmlichen Blondchen (Jayne Mansfield), das im Auftrag eines Gangsters von einem abgehalfterten Agenten (Tom Ewell) zum Star aufgebaut werden soll, hatte man sich zwar in groben Zügen bei George Cukors Film „Born Yesterday“ ausgeborgt – doch viel entscheidender war sowieso, dass hier erstmals in einer großen Hollywood-Produktion die bedeutenden Stars der ersten Rock’n’Roll-Ära zu sehen und zu hören waren. Während also Ewell mit seiner erstaunlich proportionierten Wunder-Blondine durch die Nachtclubs zieht, röhren sich Gene Vincent, Fats Domino und Eddie Cochran die Seele aus dem Leib und Little Richard verkündet musikalisch: „She’s the one.“ Da hatte er wohl Recht.

„The Girl Can’t Help It“ (OmU) 8. 11.–9. 11. im Filmkunst 66

LARS PENNING

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen