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Zielkonflikt um Ziel-1-Gebiete

Warum eine Potsdamer Europaabgeordnete gegen ihren eigenen Bericht stimmt

BRÜSSEL taz ■ Es sei das erste Mal gewesen, so die grüne Europaabgeordnete Elisabeth Schroedter gestern nach der Abstimmung in Brüssel, dass sie im Plenum gegen ihren eigenen Bericht gestimmt habe. Es ging um die Zu-kunft der Strukturfonds – ein Thema, mit dem sich die Potsdamer Euro-Parlamentarierin in den vergangenen Jahren viel beschäftigt hat, da die neuen deutschen Länder aus diesen Töpfen großzügig gefördert werden.

40 Milliarden Euro fließen in der Finanzplanungsperiode 2000 bis 2006 nach Ostdeutschland. Dann allerdings könnte es mit dem Geldsegen aus Brüssel vorbei sein. Denn zwei Drittel der Strukturhilfen werden an Regionen verteilt, die weniger als 75 Prozent des EU-Durchschnittseinkommens erwirtschaften. Da nach der großen Beitrittsrunde im Jahr 2004 diese Armutsschwelle statistisch gesehen nach Osten wandert, fallen nach Modellrechnungen der EU-Kommission außer Chemnitz und Dessau sämtliche ostdeutschen Regionen aus der so genannten Ziel-1-Förderung heraus.

Da die derzeitigen Armenhäuser überall in der alten EU das gleiche Schicksal wie Ostdeutschland erwartet, sah sich Elisabeth Schroedter mit ihren Vorschlägen zur künftigen Förderpolitik gestern einer Allianz von Parlamentariern aus strukturschwachen Gebieten gegenüber. Die grüne Abgeordnete will, dass das Kriterium von 75 Prozent des durchschnittlichen Bruttoinlandsprodukts erhalten bleibt. Zusätzlich fordert sie, dass die Förderung für die derzeit berechtigten Regionen bis 2013 schrittweise auslaufen soll.

Auf Antrag des Regionalausschusses wurde in den Schroedter-Bericht nun ein Passus eingefügt, der das 75-Prozent-Kriterium „durch andere Indikatoren, die den gebiets- und entwicklungsspezifischen Problemen Rechnung tragen“, ergänzt. Eine derartige Ausweitung der Gebiete, die Anrecht auf Ziel-1-Förderung haben, lässt sich auf zwei Wegen erreichen: Entweder werden die Mittel aufgestockt. Dagegen wird Nettozahler Deutschland massiv sein Veto einlegen. Oder das Geld wird nach dem Gießkannenprinzip verteilt.

Regionalkommissar Michel Barnier, der sich bislang stets dafür ausgesprochen hat, das klare 75-Prozent-Kriterium beizubehalten und die Förderung in der alten EU schrittweise auslaufen zu lassen, wird im nächsten Jahr seine eigenen Vorschläge für die Finanzperiode ab 2007 vorlegen. Beugt er sich dem Parlament, dann wird der Selbstbedienungsladen, den er immer vermeiden wollte, doch noch eröffnet.

Die deutschen Sozialdemokraten, die gestern alle für den Vorschlag des Regionalausschusses stimmten, sehen diese Gefahr nicht. Sie hätten lediglich verhindern wollen, dass die 75 Prozent zu einem derart frühen Zeitpunkt festgeschrieben werden, hieß es gestern aus der Fraktion. Sobald Barnier im kommenden Jahr Zahlen und konkrete Vorschläge auf den Tisch lege, müsse über neue eindeutige Kriterien für die Strukturförderung nachgedacht werden.

Elisabeth Schroedter aber ist überzeugt, dass das Parlament die Büchse der Pandora geöffnet hat. „Mit dieser Haltung sind die Sozialdemokraten im Europaparlament dem Bundeskanzler in den Rücken gefallen“, sagte sie nach der Abstimmung. Sparsames Wirtschaften mit dem Geld aus Brüssel wird nach dem gestrigen Votum sicher nicht leichter. DANIELA WEINGÄRTNER

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