: Frauen, das rassistische Geschlecht?
Der Bielefelder Gewaltforscher Wilhelm Heitmeyer weist auf „wenig thematisierte Trends“ hin: So seien Frauen „deutlich fremdenfeindlicher eingestellt“ als Männer. In Westdeutschland sei der „klassische Sexismus“ verbreiteter ist als im Osten
aus Berlin THOMAS GOEBEL
Ruhe und Ordnung stehen hoch im Kurs in Deutschland: Achtzig Prozent der Deutschen sind dafür, gegen Außenseiter und Unruhestifter härter vorzugehen. Die Zahl stammt aus einer Studie des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, die von ihrem Leiter Wilhelm Heitmeyer gestern in Berlin vorgestellt wurde. Die „autoritäre Aggression“, die hinter dem lauten Ruf nach Ruhe und Ordnung stehe, sei vor allem gegen Minderheiten wie Ausländer, Juden oder Homosexuelle gerichtet, sagte Heitmeyer.
Rabiate Forderungen zeigten „möglicherweise einen Abschied von liberalen Vorstellungen zur Sicherung der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung“. Das Potenzial für eine rechtspopulistische Bewegung in Deutschland schätzt Heitmeyer auf etwa zwanzig Prozent.
Für die groß angelegte Studie hatte die Bielefelder Forschergruppe 3.000 repräsentativ ausgewählten Personen interviewt. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage nach so genannter „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ – also die Frage, warum Menschen wegen der Zugehörigkeit zu einer Gruppe abgewertet oder angegriffen werden.
Dabei differenzierten die Forscher auch nach Geschlecht und Herkunft der Befragten, und kommen zu teils erstaunlichen Ergebnissen: So verdichte sich der „wenig thematisierte Trend“, dass Frauen „deutlich fremdenfeindlicher eingestellt“ seien als Männer: 38,1 Prozent der weiblichen und 30,1 Prozent der männlichen Befragten äußerten sich entsprechend. Im Osten Deutschlands sind diese Werte mit 46,2 Prozent insgesamt höher als im Westen (31,7 Prozent); in den alten Bundesländern ist dagegen der „klassische Sexismus“ wesentlich häufiger vertreten (31 zu 23 Prozent). Antisemitische Einstellungen unterscheiden sich nicht nach Ost und West: Sie liegen bei gut 12 Prozent. Für die Wissenschaftler sind diese verschiedenen Formen der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ Teil eines „Syndroms“ und haben vieles gemeinsam. Sie werden verstärkt durch autoritäres Denken – und sie stehen in Bezug zu den „negativen Anerkennungsbilanzen“ ihrer Urheber.
Einfache Erklärungsmuster wie die Arbeitslosigkeit reichten nicht aus, um menschenfeindliche Einstellungen zu erklären, betonte Heitmeyer. Seine Studie habe aber ergeben, dass die Bereitschaft zu Diskriminierung und Gewalt bei Menschen besonders hoch sei, die wirtschaftlich, politisch und sozial benachteiligt seien. Die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt, geringe Möglichkeiten zur politischen Mitwirkung und zerbrechende Familien förderten abwertendes Denken und Handeln.
Bundestagspräsident Wofgang Thierse forderte bei der Präsentation der Studie, die „Kultur sozialer Werte und menschlicher Beziehungen“ besser zu pflegen. Mit der Beschränkung auf wirtschaftlichen Erfolg seien „feindselige Mentalitäten“ nicht zu bekämpfen. So sei etwa die gegenwärtige Bildungsdebatte in Deutschland „reduziert auf den schrecklichen Begriff des Fitmachens“.
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