piwik no script img

Beschämt über das lange Schweigen

Nordelbische Kirchenkreise untersuchen die eigene Rolle im Nationalsozialismus. Synode in Altona bekennt sich zur Mitschuld, „Initiative Gedenken“ in Harburg

Am Anfang war eine Ausstellung. Diese heißt „Kirche – Juden – Christen in Nordelbien“, tourt momentan durch die Kirchenkreise von Stadt und Region und beleuchtet selbstkritisch die Rolle der evangelischen Kirche in der Nazi-Zeit. Der Nebeneffekt: Immer mehr Kirchenkreise untersuchen, wie sie sich damals verhalten haben. Vom Widerstand über das Weggucken bis zum aktiven Mittun war alles dabei. In Altona hat sich die Synode im vergangenen Monat zur Mitschuld am Schicksal der Nazi-Opfer bekannt. Und auch in Harburg, wo die Ausstellung momentan Station macht, hat die „Initiative Gedenken“ in der Geschichte ihrer Kirche vor Ort gegraben.

„Uns beschämt das lange Schweigen in Altonas Kirchen zu dieser Schuld“, heißt es in der Altonaer Synodenerklärung. So hatte die Propstei Altona eine so genannte Sippenkanzlei eingerichtet, die den Nazis half, auf der Suche nach JüdInnen „nichtarische“ Gemeindemitglieder zu identifizieren. Der Historiker Bernd Liesching hat die Geschichte der Propstei zwischen 1933 und 1945 untersucht und dies herausgefunden. 1938 erstellte die Propstei eine Liste mit den Namen von 44 „getauften Juden“, die den Nazis zugeleitet wurde. Die Betroffenen wurden 1941 aus der Kirche ausgeschlossen und waren damit schutzlos.

Im Kirchenkreis Harburg reagierte die Kirche nur zögernd auf die Verfolgung der jüdischen Gemeinde in Wilhelmsburg, wie die Initiative Gedenken anmerkt. Das lokale kirchliche Gemeindeblatt veröffentlichte nach der Reichspogromnacht 1938 einen Beitrag, der alle „zur Unterstützung des rassischen, politischen Abwehrkampfes gegen das Judentum“ aufrief. Fazit der Initiative heute: „Auch oppositionelle Kirchenvertreter begründeten ihre Positionen mit einer grundsätzlichen Ablehnung des Judentums und billigten die Rassenpolitik des Staates.“ PETER AHRENS

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen