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: Ein schlechter Tag für die Vereinten Nationen

Es hat also doch noch geklappt: Die ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat haben sich geeinigt. Die Vereinigten Staaten legten ihren Resolutionsentwurf zu neuen Bedingungen für Waffeninspektionen im Irak vor, Frankreich hat eingelenkt, Russland und China haben sich dem angeschlossen. Ein guter Tag für die Vereinten Nationen, für den Multilateralismus, für die internationale Zusammenarbeit, für die Diplomatie, für den Weltfrieden?

 Wohl nicht. Denn einig wurden sich die „Großen Fünf“ im Sicherheitsrat nur durch akrobatische Begriffskonstruktionen, die letztlich alles offen lassen. Was die angedrohten „ernsten Konsequenzen“ für den Irak genau bedeuten, bleibt genauso offen wie die Frage, was als „Verstöße“ gegen dessen Verpflichtungen betrachtet werden soll. Bei der Entscheidung über den Einsatz militärischer Gewalt durch das höchste UN-Gremium sind derart unscharfe Formulierungen nicht nur nicht ausreichend – sie untergraben die Vereinten Nationen an sich.

 Schon 1991, als der Sicherheitsrat entschied, dass jeder mit Kuwait verbündete Staat „alle notwendigen Mittel“ gegen Irak einsetzen dürfe, handelte er gegen seine eigene Verfassung: Die UN-Charta sieht zwar unter bestimmten Umständen die Möglichkeit eines Einsatzes von UN-Streitkräften vor. Von der Option aber, einen Staat zum Abschuss freizugeben, ist dort an keiner Stelle die Rede.

 Besonders absurd wird der jetzige Resolutionstext dort, wo er vorsieht, bei einer von wem auch immer unterstellten Verletzung der Bestimmungen durch den Irak eine erneute Sitzung des Sicherheitsrates einzuberufen – gleichzeitig aber offen lässt, ob ein Angriff tatsächlich auch dort beschlossen werden muss. Die erpresserische Vorgabe von US-Präsident George W. Bush, der Sicherheitsrat habe entweder in seinem Sinne zu entscheiden, oder die Regierung der Vereinigten Staaten werde eben so handeln, wie sie es für richtig hält, wird also auch für diese Entscheidung gelten.

 Bis dahin werden alle beteiligten Regierungen das in die UN-Resolution hineininterpretieren, was sie für politisch opportun halten. Die ständigen Sicherheitsratsmitglieder werden alle gut mit dieser Situation leben können: Frankreich, Russland und China ging es vor allem darum, ihr Gesicht zu wahren. Sie wollen die Illusion der Macht des Sicherheitsrates bewahren – und damit ihren eigenen Großmachtstatus aufrechterhalten. Mit einem formellen Beschluss, und sei er noch so inhaltsleer, haben sie dies zunächst einmal erreicht.

 Aber: Ob es letztendlich einen Krieg gegen den Irak geben wird und ob dieser Krieg mit oder ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates geführt wird, ist mit der Resolution von gestern keineswegs klar. Darüber wird weiterhin im Weißen Haus in Washington entschieden – und nicht im New Yorker UN-Hauptquartier. Faktisch hat der UN-Sicherheitsrat gestern kapituliert: Er hat entschieden, nicht zu entscheiden. ERIC CHAUVISTRÉ