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Richter fordert politisches Nachspiel

Der brandenburgische V-Mann und rechtsextreme Musikproduzent Toni S. kommt mit Bewährung davon. Berliner Richter: Ein Untersuchungsausschuss soll Verhalten des Verfassungsschutzes klären. Brandenburgs Innenministerium reagiert verschnupft

aus Berlin HEIKE KLEFFNER

In der V-Mann-Affäre um den Neonazimusikhändler und von der Berliner Polizei verhafteten Informanten des brandenburgischen Verfassungsschutzes, Toni S., hat die Berliner Justiz gestern den ersten klaren Punktsieg errungen. Zwei Jahre Haft auf vier Jahre Bewährung wegen Volksverhetzung, Gewaltdarstellung und Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen lautete das Urteil für Toni S. vor der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin.

Deutliche Worte fand der Vorsitzende Richter Hans-Joachim Brüning aber vor allem für die staatlichen Auftraggeber von Toni S.: Der brandenburgische Verfassungsschutz hätte den Vertrieb der neonazistischen CD „Noten des Hasses“ stoppen müssen, nachdem Toni S. als V-Mann im Sommer 2000 angeworben worden war und alle Vertriebswege mitsamt Kontaktpersonen und Lieferadressen ausgeplaudert hatte. Doch anstatt die 3.000 CDs mit Liedern wie „Diese Kugel ist für dich“, in denen zum Mord an Juden, Schwarzen und Politikern aufgerufen wird, aus dem Verkehr zu ziehen, habe der V-Mann-Führer Dirk Bartok seinen Schützling noch zum Schutz bei etwaigen Durchsuchungen mit einem behördeneigenen „sauberen“ Computer und Handy ausgestattet. Auch bei den Plänen für eine zweite Auflage der „Noten des Hasses“ habe der Brandenburger Verfassungsschutz lediglich zugeschaut, wie das Produzenten-Trio – bestehend aus zwei rechten V-Männern und einem langjährigen Berliner Neonazikader – vorging. Neben Toni S. mit dabei: der Berliner Rechtsextremist Lars Burmeister, der als Verantwortlicher für die Liedtexte schon im September zu einer 22-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde, und der V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Mirko Hesse aus Sebnitz.

Während das Strafmaß für Toni S., der nach knapp vier Monaten Untersuchungshaft aus dem Gerichtssaal direkt ins Zeugenschutzprogramm des brandenburgischen Landeskriminalamts überführt wurde, für Beobachter kaum überraschend kam – schließlich war das Gericht damit den Anträgen von Verteidigung und Staatsanwaltschaft gefolgt –, sorgte die Urteilsbegründung für erstauntes Raunen. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss sei notwendig, um das Vorgehen der Brandenburger Verfassungsschützer aufzuklären, sagte Richter Brüning. Denn Toni S. habe seine Straftaten nach Ansicht des Gerichts mit „Wissen und Duldung“ des Verfassungsschutzes begangen.

Toni S. fand in seinem Schlusswort zur Überraschung seines Verteidigers noch einmal lobende Worte für das „professionellen Vorgehen“ des Verfassungsschutzes. Sein Mandant sei nun im Zeugenschutzprogramm weiter auf die Brandenburger Behörden angewiesen, lautete der lakonische Kommentar von Verteidiger Klaus Linten.

Das Gericht habe einen „virtuellen Prozess gegen den Brandenburger Verfassungsschutz geführt“, kritisierte hingegen Heiko Homburg, Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums, die Berliner Justiz. Toni S. habe seinen V-Mann-Führer belastet, um sich selbst zu schützen, lautete das Resümee des Ministeriumssprechers. Die Verurteilung von Toni S. sei konsequent, da er Weisungen seines V-Mann-Führers missachtet habe.

Doch ganz so locker scheint der Fall auch verfassungsschutzintern nicht behandelt zu werden. V-Mann-Führer Dirk Bartok wurde bis zum Abschluss von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in Cottbus aus dem „operativen Dienst“ entfernt. Nun bleibt abzuwarten, ob die Staatsanwaltschaft in Cottbus eine Anklage auf den Weg bringen wird.

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