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Waffenschmiede Deutschland

Auf dem Filmseminar „Realität und Parteilichkeit“ wird im Kino 46 der Dokumentarfilm im Dritten Reich untersucht

Ebenso perfide wie „Der ewige Jude“: „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“

In dieser Woche wurde ein bisher unbekannter Kurzdokumentarfilm von Leni Riefenstahl entdeckt, den diese 1934 über den Besuch Hitlers beim Reichsbauerntag in Goslar gedreht hat. Das Thema Dokumentarfilme im Dritten Reich ist also längst nicht so fern des aktuellen Geschehens, wie man es auf den ersten Blick vermuten könnte. Auch die vielen TV-Dokumentationen der Guido-Knopp-Schule über das Dritte Reich könnte man nach diesem Seminar vielleicht mit einem kritischeren Auge analysieren. Denn zu einem großen Teil werden dokumentarische Aufnahmen aus dieser Zeit verwendet, und da kann man sich ja schon fragen, welche Botschaften unterschwellig in diesen Bildern verborgen sein mögen.

Leni Riefenstahl wurde im letzten Jahr ein ganzes Seminar gewidmet, deshalb werden ihre berüchtigten Dokumentarfilme „Triumph des Willens“ und „Olympia“ jetzt nicht noch einmal gezeigt. Und es gibt leider auch keine Wochenschauen. Und dies, obwohl die nationalsozialistische Propaganda wohl am geschicktesten bei diesen Kurzfilmen eingesetzt wurde, die jeweils vor den Spielfilmen liefen, und zum Teil Meisterwerke der Verführung waren. Aber vielleicht gibt es darüber dann ja ein Seminar im nächsten Jahr, denn diese Seminare werden nun seit mehreren Jahren regelmäßig in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung und unter Leitung des „Medienpublizisten“ Herbert Heinzelmann veranstaltet.

Am Mittwoch, 13.11., um 18 Uhr beginnt das Seminar gleich mit dem Sündenfall eines Filmavantgardisten der Weimarer Republik. Walter Ruttmann gilt seit seinem „Berlin - Sinfonie einer Großstadt“ als der „Vater des dokumentarischen Montagefilms“. Aber schon 1934 backte er viel kleinere braune Brötchen mit dem Film „Altgermanische Bauernkultur“, der genau wie „Ewiger Wald“ von Hans Springer, der im gleichen Programm gezeigt wird, die völkischen Mythen propagiert.

„Geheimnis Tibet“ (14.11., 18.00 Uhr) ist eine Dokumentation von Hans A. Lettow über eine Expedition in den Himalaja im Jahr 1938 im Auftrag von Himmlers Organisation „Ahnenerbe“. Wie widersprüchlich der Umgang mit solchen Filmdokumenten auch heute noch ist, sieht man daran, dass der Film vor kurzem auch in Hamburg bei dem „Tibet-Filmfestival“ gezeigt wurde. Dort wies man im Programmheft zwar auf seine „Irrlehren“ hin, lobte aber auch seine „einmaligen Aufnahmen des zerstörten Tibet“. In den drei Filmen „Mädel im Landjahr“, „Die große Reserve“ und „Hände am Werk“ (18.11., 18 00 Uhr) werden Bilder aus der nationalsozialistischen Arbeitswelt verklärt. Im ersten der drei Filme sieht man, wie gut einem Mädchen aus der Stadt die schwere Landarbeit tut, im anderen wird Schrott für die „Waffenschmiede Deutschland“ gesammelt, der Dritte ist dann „ein Lied der Arbeit“.

In diesem Programm darf der wohl schlimmste Dokumentarfilm aller Zeiten nicht fehlen: „Der ewige Jude“ von Fritz Hippler (19.11., 18.00 Uhr) montiert Bilder von Ratten mit solchen von Juden aus polnischen Ghettos. „Menschen werden zu Ungeziefer erklärt, damit man sie mit leichterem Gewissen vernichten kann“, schrieb dazu Peter Buchka.

Nicht weniger perfide ist „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ (auch am 19.11., im Anschluss an „Der ewige Jude“): Das KZ Theresienstadt wird in diesem Film als Ferienlager gezeigt, in dem die Juden sich vergnügen, gemütlich herumsitzen, Ball spielen usw. Die Aufnahmen machte der einst berühmte Berliner Entertainer und Jude Kurt Gerron, der diese zynische Fälschung inszenierte, weil man ihm verspochen hatte, ihn am Leben zu lassen. Sein Schicksal wird in dem Dokumentarfilm „Kurt Gerrons Karussell“ gezeigt, der eine Fußnote zum Seminar bildet und vom 15. bis 17.11. um jeweils 18.30 Uhr läuft.

„Mädel im Landjahr“ verklärt Bilder aus der nationalsozialistischen Arbeitswelt

Bei allen anderen Filmen wird es eine Einführung von Herbert Heinzelmann und im Anschluss an die Vorführung eine Diskussion geben.

Wilfried Hippen

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