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Warten auf Worte aus Brüssel

EU-Kommission gibt heute ihre Herbstprognose bekannt. Deutschland droht erneut ein Defizitverfahren. Frankreich ist auch in den Miesen, soll aber nur gewarnt werden

BRÜSSEL rtr ■ Die EU-Kommission hat ihre Entschlossenheit zu einem Defizitverfahren gegen Deutschland bekräftigt, falls ihre Herbstprognose ein deutsches Staatsdefizit oberhalb der Dreiprozentgrenze vorhersagt. Ein Kommissionssprecher in Brüssel lehnte gestern aber zugleich Angaben dazu ab, wann in diesem Fall mit dem Beginn des Verfahrens zu rechnen sei.

Die Kommission veröffentlicht heute ihre Herbstprognose, die nach Einschätzung aus EU-Kreisen ein deutsches Staatsdefizit von deutlich über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vorhersagen wird. Auch die Bundesregierung hat bereits erklärt, dass das Defizit die Dreiprozentgrenze in diesem Jahr überschreiten werde.

Neben Deutschland ist auch Frankreich wegen seines voraussichtlich deutlich höher als geplant ausfallenden Defizits im Visier von EU-Währungskommissar Pedro Solbes. Während gegen Deutschland das zweite Defizitverfahren in der Geschichte des Euro zu erwarten ist, nannte Solbes eine „Frühwarnung“ an Frankreich „denkbar“.

Die Börsenzeitung berichtete am Dienstag unter Berufung auf diplomatische Kreise, die Kommission erwarte in diesem Jahr ein Defizit von 3,8 Prozent in Deutschland. Für das kommende Jahr gehe die Kommission erneut von einem Überschreiten der Defizitgrenze aus, falls die Bundesregierung nicht wie angekündigt gegensteuert. Der Börsenzeitung zufolge erwartet die Kommission sonst 2003 ein deutsches Defizit von 3,1 Prozent.

Die EU-Kommission hatte außerdem bereits mehrfach erklärt, dass sie ihre Wachstumsprognose für die Euro-Zone für dieses Jahr um mehr als einen halben Prozentpunkt auf unter ein Prozent senken wird. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf EU-Kreise, dass die Kommission ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr von 1,4 Prozent auf 0,8 Prozent senken werde. Für 2003 wiederum erwarte die Kommission ein Wachstum von 2 Prozent in der Euro-Zone und damit noch deutlich mehr als in Deutschland.

Für die Bundesrepublik erwartet die Kommission den Kreisen zufolge 2002 nur noch ein Wachstum von 0,3 Prozent und 1,7 Prozent im kommenden Jahr. Die Bundesregierung hatte ihre eigene Prognose erst kürzlich auf 0,5 Prozent für dieses und 1,5 Prozent für 2003 reduziert.

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