: Putin: Schwanz ab
Russlands Präsident stellt sich Fragen zum Thema Tschetschenien und antwortet mit überraschender Deutlichkeit. Referendum steht an
OSLO/BRÜSSEL afp/taz ■ Russlands Präsident Putin redet über Tschetschenien – aber nur zu seinen Bedingungen. Einen dänischen Journalisten, der nach dem Einsatz von Antipersonenminen durch russische Truppen und der Gefahr eines Genozids in der Kaukasusrepublik gefragt hatte, kanzelte der Kremlchef während der Abschlusspressekonferenz des EU-Russland-Gipfeltreffens in Brüssel am Montag mit den Worten ab: „Die tschetschenischen Rebellen töten alle. Sogar wenn Sie entscheiden, Muselmann zu werden, wird Sie das nicht retten, denn der traditionelle Islam ist den Zielen dieser Menschen entgegengesetzt.“
Jedoch verschwieg der Übersetzer wohlweislich einen Teil des Gesagten, wie Moskauer Zeitungen berichteten, und den sie gestern nachreichten: „Wenn Sie bereit sind, ein radikaler Islamist zu werden und sich beschneiden zu lassen, lade ich Sie nach Moskau ein“, sagte Putin. „Wir sind ein multikonfessionelles Land. Ich empfehle Ihnen, die Operation so durchführen zu lassen, dass nichts nachwächst.“ Dessen ungeachtet sah sich Außenkommissar Chris Patten gestern vor dem EU-Parlament zu einer „Gegendarstellung“ veranlasst, nachdem die Presse die EU-Chefs nach dem Brüsseler Gipfel unisono als zu defensiv gegenüber Putin kritisiert hatte. Das sei der siebte EU-Russland-Gipfel, an dem er als Kommissar für Außenbeziehungen teilgenommen hätte. „Keine Präsidentschaft hat nach meiner Erfahrung die Tschetschenienfrage so verständig und energisch zum Thema gemacht wie der dänische Premierminister Rasmussen.“
Mehr energisch denn in der Sache kompetent machte auch Bundeskanzler Gerhard Schröder den Krieg in der Kaukasusrepublik zum Thema und äußerte sich anerkennend über die Moskauer Tschetschenienpolitik. Er habe „mit Interesse und Unterstützung zur Kenntnis genommen, wie der politische Prozess in Bezug auf Tschetschenien organisiert und vorangebracht wird“, sagte der Bundeskanzler gestern. Dabei gehe es besonders um den Verfassungsprozess, sagte Schröder mit Blick auf ein geplantes Referendum. In einer Volksabstimmung will Moskau die Tschetschenen über den Status ihrer Republik in der russischen Föderation abstimmen lassen. dps
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