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Freier Informationsverkehr

Auch die freien Radios greifen zu Rezepten aus der Wirtschaft: Sie nutzen Synergien und bieten so ein bundesweites politisches Magazin an. Thema Nummer 1 bei zip-fm ist zurzeit natürlich der Castor

Politische Steuerung durch wenige, technisch versierte Leute?

von TILL BELOW

Hier und da muss der Castor mal eine kleine Pause einlegen, auf dem Weg ins niedersächsische Zwischenlager Gorleben. Das kennt man, und so viel erfährt man auch aus dem Radio, ob öffentlich-rechtlich oder privat. Viel mehr nicht. Routine. Bei den mehr als zehn freien Radios zwischen Freiburg und Hannover allerdings gibt es ein Anti-Castor-Radio – und zwar bundesweit.

Bereits seit Anfang Oktober produzieren mehrere lokale Alternativradios gemeinsam ein politisches Nachrichtenmagazin und tauschen die jeweils halbstündige Sendung übers Internet miteinander aus. „Zip-fm“ nennt sich das etwas technophil und beschäftigt sich, wenn gerade kein Castor unterwegs ist, mit anderen Themen, wie kürzlich dem europäischen Sozialforum in Florenz.

Die Zusammenarbeit läuft auf drei Ebenen. Mitglieder des Bundesverbands Freier Radios (BFR) produzieren aktuelle Beiträge von mehreren Minuten Länge und stellen sie auf die Austauschseite www.freieradios.net. Fünf Radios wechseln sich bei der Zusammenstellung und Moderation der halbstündigen Sendung ab. Dienstags bis freitags ab 16.00 Uhr kann sie dann auf der Seite angehört oder heruntergeladen und gesendet werden.

Das Konzept der Austauschseite stammt von Felix Sperandio, der die Seite auch bis heute technisch betreut und weiterentwickelt. Pate stand dabei unter anderem die amerikanische Internetseite Radio4all.net, eine Audio-Datenbank, auf der verschiedene soziale Bewegungen Radiobeiträge veröffentlichen. „Ich habe selbst beim Freien Radio für Stuttgart in der Inforedaktion mitgemacht; wir haben da noch Kasetten rumgeschickt, doch dann kam MP 3, DSL und PHP, das machte alles viel einfacher“, sagt Sperandio.

Nun sei zip-fm eigentlich eine Rationalisierungsmaßnahme, wie Andreas Klug einräumt. Er selbst hat lange bei Radio Dreyeckland eine tägliche, einstündige Infosendung gemacht hat. Doch für so etwas brauche man rund 20 ehrenamtliche Redakteure, und so habe es schließlich bei den freien Radios keine täglichen Nachrichten mehr gegeben. Synergien also, auch bei den ehemaligen Piratensendern, die angetreten waren eine „kritische Gegenöffentlichkeit“ zu schaffen.

Ihre innovativen Ansätze, etwa die Einbeziehung von Betroffenen und Hörern in die Sendungen, sind von den „bürgerlichen Radios“ vielfach aufgenommen worden, und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben schon vor mehreren Jahren ein „digitales Audiosystem“ zum Austausch von Korrespondentenberichten und Sendungen eingeführt.

Bei den freien Radios sollen durch zip-fm allerdings keine Arbeitsplätze eingespart werden. Ziel sei es vielmehr, „mit den knappen personellen Ressourcen die freie Radiolandschaft zu beleben“, erklärt Klug.

Das Projekt hatte eine relativ lange Vorlaufzeit mit heftigen Diskussionen. Als die Idee vor fünf Jahren das erste Mal auftauchte, befürchteten Kritiker die politische Steuerung durch wenige, technisch versierte Leute. Die Beschränkung der Beitragslänge auf 7 Minuten grenze außerdem an Formatradio – eine etwas realitätsferne Kritik findet Michael Liebler, „Internetprophet“ bei Radio Z in Nürnberg, wie er sich selbst nennt.

Mittlerweile sind die Reaktionen aus der Radioszene auf den Probelauf denn auch einhellig positiv. In Nürnberg hatte es zwar schon vor dem Start von zip-fm noch regelmäßige Info-Sendungen gegeben. Jetzt seien die Inhalte dort aber vielfältiger, und auch die Formen der Berichterstattung seien erweitert worden, erzählt Liebler. Auch für seinen Kollegen aus Marburg, Steffen Käthner, ist das Magazin eine Bereicherung. „Es finden viele inhaltliche Diskussionen zwischen den Städten statt“, früher seien die Info-Sendungen in Marburg ein zufälliges Sammelsurium von Themen gewesen, jetzt werde viel bewusster über die Beitragsthemen entschieden, meint Käthner.

Bei Spezialthemen wie den Protesten in Genua und München oder auch beim Castor-Transport sind die freien Radios so teilweise schneller und vor allem hintergründiger als die etablierten, sagen Käthner und Liebler. Und ihre Internetseiten werden bei solchen Anlässen dementsprechend stark genutzt. Beim diesjährigen Castor sind die Radios sogar mit einem eigenen Ü-Wagen vor Ort. Dort gibt es einen kompletten Schnittplatz und einen Computer. Über ein so genanntes Webtaxi können die neuesten Berichte live an die Radios gesendet werden.

Das Konzept hat also Erfolg. Deshalb soll zip-fm auch im kommenden Jahr fortgesetzt werden. Projekte wie Onda, Radio Orange und Radio Corax aus Dresden haben schon ihre Mitarbeit angekündigt, so dass die Versorgung mit aktuellen Beiträgen verbessert werden kann. Und auch Radio Orange aus Wien möchte sich beteiligen, wenn es nach einem Regierungswechsel wieder mehr Geld bekommen sollte. Die ÖVP-FPÖ-Koalition von Jörg Haider hatte die öffentlichen Mittel für das unbequeme Radio stark gekürzt.

Vielleicht sind bald also auch die Österreicher über die „Situation an den Gleisen bei Hitzacker“ umfassend informiert.

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