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Mit Charme durchs gelebte Leben

Bei ihrer Audienz im Berliner Metropol-Theater umgab Marianne Faithfull eine Aura monarchischer Würde

Ihre Biografie lässt sich gut in Stichworten zusammenfassen: Mick Jagger, As tears go by, Heroin, Comeback, Broken English, Ballad of Lucy Jordan, Autobiografie, Brecht-Weill-Phase. Als Urenkelin Leopold von Sacher-Masochs, ehemalige Klosterschülerin und einstige Jagger-Freundin hatte sie ihr Päckchen zu tragen, und als tragische, vom Leben gezeichnete Person wird sie gern beschrieben. Dabei bringt sie in schöner Regelmäßigkeit neue Platten heraus und lebt glücklich und allein in Dublin. Doch ihr einst glattes Gesicht sei zerfurcht und zerstört wie die Stimme, heißt es oft, ihr Leben ein Trümmerfeld.

Am Mittwochabend, bei ihrem Auftritt im Berliner Metropol, sah das allerdings ganz anders aus. Ob nun etwas dran ist oder nicht an dem alten Gerücht, dass Heroin den Körper konserviert – Marianne Faithfull, 54, sah jedenfalls glücklich und strahlend gut aus, und nicht verbrauchter oder gezeichneter als ihr etwa gleichaltriges Publikum. Dafür aber interessanter.

Hunderte der Generation 50 plus und ein paar jüngere drängten sich in der ägyptisierenden Ausstattung des alten Varietetheaters am Nollendorfplatz. Die dunklen Holzreliefs, Hieroglyphentafeln und Statuen verbreiten Gruftstimmung: So viel dunkelbraun gestrichenes Sperrholz, so viel Patina und so viel graues und lichtes Haar hatte hat man selten auf einem Fleck gesehen. Eine Vorband namens Veranda Musik wurde geduldet, nur hin und wieder ruft ein ungeduldiger Fan „Marjanne!!“. Und dann kommt sie auf die Bühne im schwarzen Damenanzug mit roter Seidenblume am Revers, und strahlt von der ersten Sekunde an eine fast monarchische, warmherzige Würde und heitere Gelassenheit aus.

Mit resoluter Güte sagt sie ihre Stücke an, wenn sie mit tiefer, rauher Stimme die Band vorstellt – Schlagzeug, Bass, Gitarre Keyboard, alle aus „the City of Glasgow“ –, klingt es, als rezitiere sie Shakespeare. Auf ihrer neuen Platte „Kissin’ time“ schrieben einige schicke junge Männer Songs für sie: Beck, Billy Corgan von Smashing Pumpkins, Damon Alborn von Blur.

In „Sliding through life on charme“ von Jarvis Cocker singt sie „I am a muse, not a mistress, not a whore“. Musikalisch kann das Stück zwar nicht so ganz überzeugen, auch der „Song for Nico“ von Dave Stewart hat Längen. Bei Becks „Like being born“ hingegen hält der Saal den Atem an. Dann kommen die älteren Hits: „At the age of 37“ singt sie genauso brüchig-pathetisch, wie man es erinnert, und „Broken English“, ihr Lied über Ulrike Meinhof, ist immer noch ein Knaller.

Spielerisch stellt sich Marianne Faithfull ihren eigenen Referenzen – die Stimme wird an den passenden Stellen brüchig, kratzig, gibt das Reibeisen. Die dunklen Vokale lässt sie theatralisch ausrollen, manchmal glaubt man, nur noch lang gezogene „roars“ zu hören. „Soarn as yoar booarn they make yoar feel smoall.“ Nach „Working class hero“ wird immer noch die Faust gereckt. Aber sie kann das alles machen, auch die kleinen gezierten Theatergesten sind bei ihr nicht schlimm.

Sie ist immer noch ein Role Model: Die erwachsene, ältere Frau, in cool abgehangener Weltweisheit, längst befreit vom Druck der Jugend- und Schönheitsklischees, dem Postulat der ewigen Sexyness und dem Fleischmarkt entwachsen, leicht amüsiert über sich selbst und die Situation.

Am Ende regnet es Rosen und Kuscheltiere, rührend, wie sie gerührt dem Publikum Kusshände zuwirft, noch mal an den Rosen riecht, das Kuscheltier küsst, noch einmal winkt und dann lächelnd geht. „As tears goes by“ hat sie dann am Ende gar nicht mehr gesungen. Aber es hat auch nicht gefehlt.

CHRISTIANE RÖSINGER

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