piwik no script img

Der Zickenzoff bleibt auf dem Spielplan

Jetzt ist auch Eisschnellläuferin Anni Friesinger in die Saison gestartet – mit zwei Plätzen hinter Claudia Pechstein

ERFURT taz ■ Egal wohin Anni Friesinger in der Erfurter Eishalle ging, immer heftete sich ein Kamerateam an ihre Fersen, tanzte ein Mikrofon vor ihrer Nase oder standen Autogrammjäger Schlange. Friesinger, am Samstag mit Platz sechs über 3.000 Meter und Rang drei über 1.500 m in die Saison gestartet, stand am Wochenende wieder im Mittelpunkt des Interesses. „Endlich“, sagte die Inzellerin, nachdem sie zuletzt im Zuge eines Magen-Darm-Infekts fünf Kilo verloren und zwei Starts verschoben hatte. Erst eine kalorienreiche Diät – gereicht wurde „viel Tiramisu und Nudeln“ – habe ihr zu alter Kraft verholfen, auch wenn immer noch zwei Kilo fehlen zum Kampfgewicht.

Viel Unsicherheit schwang also mit beim Saisonauftakt, bei dem sie gleich im ersten Paar mit der Japanerin Nami Nemoto auf die 3.000-Meter-Strecke musste. Prompt sah es auf den ersten 400 Metern so aus, als laufe die 25-Jährige auf stumpfen Kufen, derart vorsichtig und bedacht setzte Friesinger ihre Klappschlittschuhe aufs Eis. „Ich hatte Schiss“, gab sie später zu. „Ich hab ja noch gar kein Feeling.“

Auch Trainer Markus Eicher hatte die wackligen Knie und das blümerante Gefühl bemerkt, machte sich aber keine Sorgen um seine Athletin, da er aus Erfahrung wisse, dass sie sich im Wettkampf „um 30 Prozent“ steigern könne. Die Weltcups seien in dieser Saison ohnehin nicht wichtig. „Die interessieren überhaupt nicht“, flunkerte er. Man konzentriert sich auf die Weltmeisterschaften im Mehrkampf in Göteborg (7. bis 9. Februar) und auf die Einzelstrecken-WM Mitte März in Berlin. Da komme es drauf an, da werde das „rein sportliche“ Duell (Friesinger) mit Konkurrentin Claudia Pechstein, 30, fortgesetzt.

„Ein Duell kann es ja nur geben, wenn sich beide Sportler auf dem gleichen Niveau befinden“, erklärte Friesinger in Erfurt. Während sie noch unter den Auswirkungen der Viruserkrankung leidet, sammelte Pechstein, seit Wochen in bester Laune und Form, bereits Medaillen und Weltcup-Punkte. Über 3.000 Meter war am Samstag allerdings die Kanadierin Clara Hughes in 4:04,53 Minuten über eine Sekunde schneller als die Zweitplatzierte Pechstein, die auch am Sonntag über die 1.500-m-Zweite (hinter der Kanadierin Cindy Klassen) wurde. Der 30-Jährigen war’s egal. Sie strotzt derzeit vor Selbstbewusstsein.

„Das woar amoi“, meinte dann Friesinger in bayrischer Mundart über eine Inszenierung, die wahlweise als „Zickenzoff“, „Zickenkrieg“ oder „Zickenduell“ durch die Medien geisterte. An diesem Weltcup-Wochenende avancierten die Begriffe übrigens zu Unworten, die sich kaum ein Fragesteller traute, in den Mund zu nehmen. Auch der Hallensprecher umschiffte das Problem mit der Erkundigung, was denn die am häufigsten gestellte Frage in den letzten Tagen gewesen sei. Unverblümt gab die Berlinerin Pechstein zu: „Na, das Zickenduell.“ Zum wiederholten Male erklärte aber auch sie, dass alles erledigt und vergessen sei, worauf Szenenapplaus von den 2.000 Zuschauern in der Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle aufbrandete.

Einen, wenn auch harmlosen, Nasenstüber verteilte Pechstein dann aber doch, als sie darauf hinwies, dass sie sich von Friesingers Zeiten keineswegs herausgefordert gefühlt habe. „Da haben mich schon eher die Vorgaben der anderen provoziert.“ Das Zickenduell, es plätschert so dahin, keiner möchte es recht vom Spielplan nehmen, auch wenn es bisweilen die Ränge ennuiert. So lang das Schauspiel Zuschauer findet, wird in einer Light-Version weitergezickt – Geschäft ist nun mal Geschäft.

MARKUS VÖLKER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen