„Völlig antiquiertes Politikverständnis“

Der Münchener Soziologieprofessor Ulrich Beck kritisiert die rot-grüne Reformpolitik als ideenlos und veraltet

BERLIN taz ■ Die rot-grüne Regierung zeichnet sich durch einen eklatanten Mangel an „großen Ideen“ aus, die gerade eine wirkliche „Reformpolitik in Zeiten der Krise“ ausmachen. Diesen Vorwurf erhebt der Münchener Soziologe Ulrich Beck im taz-Interview. Die Regierung verfange „sich immer wieder in einem Pragmatismus des Kleinredens von Ideen“, sagt Beck. Bundeskanzler Gerhard Schröder verfahre nach dem Motto: „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.“

Beck, der den Begriff der „Risikogesellschaft“ prägte und als einer der meistdiskutierten deutschen Sozialwissenschaftler gilt, wirft Rot-Grün ein „völlig antiquiertes Politikverständnis“ vor: „Die denken doch tatsächlich, sie sitzen an den Hebeln der Macht und müssen von paritätisch besetzten Kommissionen ergrübelte, konsensgestählte Konzepte ‚nur eins zu eins‘ umsetzen.“ Ausgerechnet Rot-Grün verpasse damit aber die Chancen einer „sich verflüssigenden Welt“.

Das Versagen der etablierten Parteien begünstige den Rechtspopulismus. Denn trotz der politischen Entzauberung dieser Parteien in Österreich, Deutschland und den Niederlanden sieht Beck die Gefahr nicht gebannt. Zwar sei der Rechtspopulismus kein stabiler Bündnispartner für konservative Parteien, doch bestünden die Gründe fort, die dem Rechtspopulismus zum Aufstieg verhalfen. GB

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