: Versicherungen versichern sich
Trotz Krisengerede läuft das Geschäft der Assekuranzen wie geschmiert. Rekordzahl bei Lebensversicherungsverträgen in Sicht. Beitragserhöhungen auf breiter Front. Private Renten wurden um bis zu 30 Prozent gesenkt, klagen Verbraucherschützer
von HERMANNUS PFEIFFER
Das Aktientief zieht auch an den bundesdeutschen Versicherungskonzernen nicht spurlos vorüber. Während des Börsenbooms in den Neunzigerjahren hatten viele Gesellschaften ihren Aktienanteil auf 30 Prozent aufgestockt, bis zum Kursdesaster im Jahr 2000. Seither büßt die Assekuranz für ihre naive Spekulationslust. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sieht jedoch trotz der schlechten Nachrichten keinen Grund zur Panik. Verbandspräsident Bernd Michaels weist Hochrechnungen, wonach manches Unternehmen in seiner Existenz bedroht sei, als „schlicht unseriös“ zurück.
Mittlerweile soll der Aktienanteil am Kapitalvolumen auf durchschnittlich 10 Prozent zurückgefahren worden sein, daher spüren die Sicherheitsverkäufer von der aktuellen Kursflaute nur noch wenig. Insgesamt verfügt die Branche über eine Vermögen von etwa 850 Milliarden Euro.
Tatsächlich befindet sich die Branche im Gegensatz zur Gesamtwirtschaft längst wieder im Aufwind. Im wichtigsten Geschäftszweig, den Lebensversicherungen, rechnet der Verband GDV in diesem Jahr mit rund 11,8 Millionen neuen Verträgen, was einem Plus gegenüber dem Vorjahr von sagenhaften 40 Prozent entspricht. Verantwortlich für diesen Boom sind die politisch angeheizte Rentenangst und die Einführung der Riester-Rente, von der vor allem die Assekuranz profitiert, während Banken und Investmentfonds in die Röhre schauen.
Und auch die private Krankenversicherung, nach Prämieneinnahmen der zweitgrößte Zweig in der Assekuranz, rechnet für dieses Jahr mit einem satten, antizyklischen Plus von 6 Prozent. Selbst in der traditionell defizitären Sachversicherung, wie Auto und Haftpflicht, zeichnet sich endlich ein Hoch ab: In allen Sparten werden im kommenden Jahr konzertiert die Prämien erhöht, kündigte der GDV an.
Die Verbraucher werden jedoch auch an anderer Stelle von den Konzernen geschröpft. So sollen die Überschussbeteiligungen in der Lebensversicherungen 2003 um einen ganzen Prozentpunkt sinken. Durch den Zinseszinseffekt wird die Negativwirkung zukünftig noch verschärft werden. Unterm Strich dürften (Kapital-)Lebensversicherungen demnächst kaum noch 5 Prozent Rendite abwerfen. Trotzdem scheinen sie vielen Sparern attraktiv, da sie eine sichere Geldanlage ohne Risiko versprechen. Garantiert wird allerdings nur eine mickrige Rendite von 3,25 Prozent.
Das übertriebene Krisengerede nutzt die Assekuranz zugleich, um die Verbraucher rundum zur Kasse zu bitten. „Die Zeche zahlen die Kunden“, sagt Elke Weidenbach von der Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. So haben viele Gesellschaften in den vergangenen Monaten die Beiträge auch für Risiko-Lebensversicherungen erhöht. Am schlimmsten trifft es jedoch schon jetzt die Rentner. „Die Rente wurde in manchen Fällen bis zu 30 Prozent gesenkt“, klagt die Verbraucher-Zentrale an. Zur selben Zeit freut sich die Versicherungswirtschaft über den Verkaufsboom ihrer privaten Rentenversicherungen.
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