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berliner szenen Schlangen mäandern

Ausbeutung lacht

Es ist eine ganz einfache Rechnung: Wenn es in einem Pennymarkt zwei Kassen gibt und eine davon kaputt ist, ist die Schlange doppelt so lang. Das ist Logik, aber man muss es mit eigenen Augen sehen, um zu begreifen, was es bedeutet – und wie lange es dauert. Vor mir in der Schlange steht eine Mutter mit einem kleinen Kind, das gerade noch dabei ist, die Bedeutung des Begriffs Frustrationstoleranz zu lernen.

Das Kind trägt einen Fahrradhelm und bemüht sich mit großen Gesten und unverbrauchter Stimme um Aufmerksamkeit. Die es nicht bekommt, dafür aber kurz nach dem Umkippen der Situation das Versprechen auf ein Eis. Da trocknen die Tränen in der Vorfreude, das Warten hat eine Richtung bekommen. Wir passieren die Hard-Liquour-Schikane und gehen in die Zielgerade. Das Kind steht auf Zehenspitzen an der Tiefkühltruhe und kann das ihm zugesagte Eis nicht entdecken, weil es zu klein ist, um den Inhalt zu überblicken. Die Mutter legt das Zögern als mutwillige Unentschiedenheit aus und droht damit, ihr Versprechen zurückzunehmen. Das Kind heult auf, bekommt einen Klaps auf den Helm, heult stärker und bekommt mit den Worten: „Hör auf zu heulen, du hast einen Helm auf“, das Eis in die Hand gedrückt.

Tiefes Schluchzen und kleine Schreie begleiten die Abwicklung der Einkäufe. Am hinteren Ende der Schlange beginnen Alkoholiker zu streiten. Mit einer Stimme, in der sich scharfe Ironie, Humor, böse Komik und Doppelbelastung mischen, wünscht die Kassiererin der Mutter, während sie ihr das Rückgeld hinlegt, einen „SCHÖNEN ABEND NOCH“. Und mit einem Blick zurück auf die mäandernde Schlange und einem anderen auf die Uhr antwortet die Mutter: „IHNEN AUCH“, und beide lachen das Gelächter der Ausbeutung. MONIKA RINCK

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