: Kinder betteln aus Protest
Im Namen von Terre des hommes gehen heute Schüler auf die Straße. Sie sollen Schuhe putzen, Blumen verkaufen – und sich mit Straßenkindern in aller Welt solidarisch zeigen
BERLIN taz ■ Die Kinderlobbyisten von Terre des hommes warten heute mit einer ungewöhnlichen Aktion auf: In ihrem Auftrag gehen Kinder zum Betteln und Schuheputzen in deutschen Städten auf die Straße. „Straßenkind für einen Tag“ heißt das Projekt, das auf das Schicksal von 200 Millionen Kindern weltweit aufmerksam machen soll, die so ihren Lebensunterhalt verdienen. „Die Kinder hier sollen lernen, wie es sich anfühlt, wenn man auf der Straße die Leute anschnorrt“, sagte die Vorsitzende der Kinderorganisation, Petra Boxler, der taz.
Boxler betonte auch, Terre des hommes sei „völlig dagegen, Kinder zu instrumentalisieren“. Die Schüler aus 42 Schulen und von „Kinderrechtsteams“ könnten selbst entscheiden, ob und wie sie an der Aktion teilnähmen. Zehn- und Elfjährige werden also auf dem Gehsteig Blumen verkaufen oder Zöpfe flechten. Prominente Kinderrechtler beurteilen die Kampagne skeptischer. „Für mich gibt es eine Grenze: das Betteln“, sagt der Vorsitzende der Bundestags-Kinderkommission, Klaus Haupt (FDP). „Der Zweck darf nicht die Mittel bedingen.“ Schließlich sei Terre des hommes ja gegen das Betteln. Die Kinderlobby veranstaltet die Aktion „Straßenkind für einen Tag“ zum wiederholten Male.
Heinz Hilgers vom Deutschen Kinderschutzbund distanzierte sich für seinen Verband von der Protestform. „Unser Stil ist das nicht“, sagt Hilgers. „Wir setzen niemals Kinder als Akteure von Kampagnen ein.“ Erst gestern verlieh Hilgers an den „Verband alleinerziehender Mütter und Väter“ einen Preis – weil er mit der Aktion „Ich bin kein Single“ vorbildlich für die Rechte von Kindern geworben hatte.
Die grüne Kinderaktivistin Ekin Deligöz nahm Terre des hommes in Schutz. Auch sie habe Bedenken gehabt, habe sich aber von der guten Vorbereitung und Nachbetreuung überzeugen lassen, die Terre des hommes den deutschen Bettel-Kids angedeihen lässt. „Die machen hervorragende pädagogische Arbeit“, sagte die grüne Bundestagsabgeordnete dazu.
Deligöz forderte die rot-grüne Bundesregierung auf, endlich die UN-Kinderrechtskonvention vorbehaltlos anzuerkennen. „Mein Innenminister Schily versteckt sich da noch hinter den CDU-Ministerpräsidenten, die noch Vorbehalte aufrechterhalten“, sagt Deligöz. „Aber mein Außenminister wird sich gewiß stark dafür einsetzen, dass die Kinderrechtskonvention in Deutschland bald auch für Flüchtlinge voll gültig ist.“
CHRISTIAN FÜLLER
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