: „Jenseits meiner dörflichen Kompetenz“
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) lehnt Zugeständnisse an die Roma ab. Entweder ihre Situation wird bundesweit einheitlich geregelt – oder auch Berlin schiebt weiter ab. Ein Stopp auf Landesebene verschiebe das Problem nur
taz: Herr Körting, Sie haben gerade mit einer Delegation der Roma gesprochen, die die PDS-Parteizentrale besetzt haben und ein generelles Bleiberecht fordern. Sind Sie zu Zugeständnissen bereit?
Ehrhart Körting: Nein, ein generelles Bleiberecht ist weder politisch noch rechtlich sinnvoll. Auch für die Roma aus Serbien gilt der Grundsatz: Wenn der Bürgerkrieg vorbei ist, ist für Bürgerkriegsflüchtlinge eine Rückkehr im Regelfall zumutbar. Ich gehe davon aus, dass die anderen Innenminister das ähnlich sehen. Mein Vorstoß bei der Innenministerkonferenz ist ein anderer.
Sie wollen bei der nächsten IMK eine Altfallregelung erreichen. Wie soll die aussehen?
Ich will langjährig hier lebenden Roma, die besonders integriert sind, ein Bleiberecht geben. Das knüpfe ich an die üblichen Voraussetzungen für Altfallregelungen: Sie müssen in der Lage sein, sich selber zu ernähren – dass das zurzeit nicht geht, weil sie keine Arbeitserlaubnis haben, ist kein Hindernis. Sie dürfen nicht straffällig geworden sein und müssen hier integriert sein. Das ist bei Familien der Fall, deren Kinder in die Schule gehen.
Das heißt, generell würde die Altfallregelung nur für Familien oder Jugendliche gelten?
Ja. Alleinstehende wären – von humanitären Einzelfällen abgesehen – ausgeschlossen. Wenn jemand zum Beispiel 50 Jahre alt ist und die letzten 8 Jahre hier, davor aber 42 Jahre in Serbien gelebt hat, dann muss man davon ausgehen, dass er da wieder integrierbar ist.
Wenn Ihnen eine solche Regelung wirklich wichtig ist, warum setzen Sie bis zur IMK die Abschiebungen nicht aus?
Es gibt zwar ein Rücknahmeübereinkommen mit Jugoslawien, aber de facto werden Familien derzeit aus Berlin nicht abgeschoben.
Genau das ist aber passiert.
Bei dem einen Fall handelte es sich um eine mehrfach vorbestrafte Person …
… deren Kinder gleich mit abgeschoben wurden.
… den anderen Fall lasse ich gerade überprüfen. Die generelle Praxis der Ausländerbehörde ist aber so, dass zunächst Alleinstehende abgeschoben werden.
Praxis der Ausländerbehörde ist auch, Regelungen möglichst restriktiv auszulegen. Flüchtlingsberater sprechen von Schikane, von nicht anerkannten Attesten und aufgebauschter Straffälligkeit.
Wenn unabhängige Gerichte rechtskräftig entscheiden, ist das für die Ausländerbehörde die Grundlage. Darüber kann man nicht diskutieren. Bei ärztlichen Attesten kann nicht entscheidend sein, ob die Krankenversorgung im Herkunftsland mit der in der Bundesrepublik übereinstimmt. In Serbien ist eine Krankenversorgung möglich.
Sie sind mit der Praxis also einverstanden?
Die Mitarbeiter der Ausländerbehörde arbeiten in einer schwierigen Situation. Sie müssen ihren Kunden meist etwas Schlechtes verkünden und dabei gibt es manchmal Reibereien. Das wirkt sich aber in keiner Weise auf die Bescheide aus.
Sie legen Vorschriften eng aus. Das könnte auch anders sein.
In Berliner Fällen, wo wir einen Spielraum haben, prüfen wir: zum Beispiel bei den minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen.
Viele haben von Rot-Rot mehr erwartet.
Die Ausländerbehörde muss sich an die Gesetze halten, die kann auch Rot-Rot nicht umbiegen. Die Spielräume sind eng.
Was passiert, wenn Ihr Vorstoß bei der IMK scheitert?
Dann bleibt es bei der generellen Ausreiseverpflichtung auch für langjährig hier lebende Roma. Dann kann man nur sehen, welche Fälle als humanitäre Einzelfälle anders zu behandeln sind.
Sie könnten für sechs Monate allein für Berlin einen Abschiebstopp verhängen. Wenn Sie es ernst meinen mit Ihrer Unterstützung für die Roma, warum machen Sie das nicht?
Ein solcher Abschiebestopp würde das Problem nur verschieben. Man könnte darüber nachdenken, vielleicht im Januar und Februar auszusetzen, wegen der klimatischen Verhältnisse.
Das ist dürftig, wenn man bedenkt, dass Rot-Rot in seiner Koalitionsvereinbarung festgelegt hat, sich für ein dauerhaftes Bleiberecht für langjährig hier lebende Roma einzusetzen.
Die Koalitionäre waren sich einig, dass man das nur auf Bundesebene lösen kann. Und das meine ich auch.
Die Roma haben gestern angekündigt, die PDS-Zentrale zu räumen, aber andere Besetzungen – wie die der SPD – ins Auge gefasst. Was machen Sie dann?
Das hängt von der SPD ab. Solange es keine Anzeige wegen Hausfriedensbruch gibt, besteht kein Handlungsbedarf.
Die Besetzung wurde von Ihrem Koalitionspartner nicht nur geduldet, sondern unterstützt. Wie finden Sie das?
Das beunruhigt mich gar nicht. Die PDS hat ihre politischen Überzeugungen ja nicht durch eine Koalition mit der SPD aufgegeben. Für mich ist entscheidend, dass man weiterhin vernüftig zusammenarbeiten kann.
Die PDS-Politikerin Petra Pau hat – mit Blick auf die Ermordung von Sinti und Roma während des Nationalsozialismus – auf die historische Verantwortung Deutschlands verwiesen.
Das ist genau der Grund, warum das in der Koalitionsvereinbarung steht.
Wäre dann nicht eine Regelung ähnlich der für jüdische Kontingentflüchtlinge aus den GUS-Staaten das Richtige?
Das übersteigt meine dörflichen Kompetenzen. Das muss auf Bundesebene geregelt werden. Aber ich glaube, die Zeit dafür ist verpasst. Jetzt wäre eine Altfallregelung sinnvoll.
INTERVIEW: SABINE AM ORDE
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