: Weg frei für Prag
Europaparlament: Beneš-Dekrete kein Hindernis für EU-Beitritt. Doch Versöhnungsgeste Tschechiens nötig
BRÜSSEL taz ■ Die Dauerdiskussion um die tschechischen Beneš-Dekrete fand gestern im EU-Parlament ein unspektakuläres Ende. Mit großer Mehrheit stimmten die Abgeordneten für den Bericht des CDU-Abgeordneten Jürgen Schröder, der dem vom Auswärtigen Ausschuss in Auftrag gegebenen Gutachten folgt. Danach stellen „die Präsidentendekrete aus Sicht des EU-Rechts kein Hindernis für den EU-Beitritt Tschechiens“ dar.
Schröder ist überzeugt, „dass dieser Bericht die Würde all derer respektiert, die in den vergangenen Jahrzehnten gelitten haben – Tschechen und Sudetendeutsche, Ungarn und Roma“. Die Vorsitzenden der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Hartmut Nassauer und Markus Ferber, betonten allerdings, dass das tschechische Straffreistellungsgesetz, das alle im Rahmen der Beneš-Dekrete begangenen Verbrechen pauschal amnestiert, mit einer modernen Auffassung von Rechtsstaatlichkeit nicht vereinbar sei. Das EU-Parlament habe mit seiner Entscheidung, die mehrheitlich von Abgeordneten aller demokratischen Parteien getragen wurde, seinen guten Willen bewiesen. Nun sei Prag am Zug, mit einer versöhnlichen Geste zu reagieren.
Der Entscheidung ging ein Monate dauernder Gutachter-Streit voraus. Zunächst brüteten Juristen aus der EU-Kommission und dem juristischen Dienst des Parlaments über den Texten und wogen politische und zivilrechtliche Konsequenzen gegeneinander ab. Der Auswärtige Ausschuss gab sich damit nicht zufrieden und beauftragte zusätzlich drei unabhängige Gutachter, darunter den Völkerrechtler Jürgen Frowein. Der kam wie seine Fachkollegen von der EU zu dem Schluss, dass die Dekrete einem Beitritt Tschechiens zur EU nicht entgegenstehen, da sie „keine fortdauernde diskriminierende Wirkung“ haben.
Dagegen urteilt der von der Sudetendeutschen Landsmannschaft beauftragte Würzburger Jurist Dieter Blumenwitz, viele der diskriminierenden Verordnungen und Gesetze seien nach wie vor Bestandteil des tschechischen Rechts. Nach dem gestrigen eindeutigen Parlamentsvotum dürften die Argumente der sudetendeutschen Lobby aber kaum noch Gehör finden. Anfang des Monats allerdings wurde im Europaparlament eine Studie vorgestellt, die fortwirkende diskriminierende Auswirkungen der Beneš-Dekrete auf die ungarische Minderheit in der Slowakei beschreibt. In diesem Zusammenhang könnte das Thema Dekrete wieder auf die Tagesordnung des EU-Parlaments gelangen. SABINE REHBERG,
DANIELA WEINGÄRTNER
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