: Verstärkte Beobachtung
Nach einer Verstaltung in der TU ist die islamistische Gruppe „Hizb ut-Tahrir“ zunehmend in das Augenmerk des Berliner Verfassungsschutzes gerückt
Viel ist es nicht, was der Berliner Verfassungsschutz über die islamistische Gruppierung „Hizb ut-Tahrir“ weiß. Es bestehe die Gefahr, dass die Äußerungen und Aktivitäten von „Hizb ut-Tahrir“ „eine radikalisierende Wirkung auf Muslime haben“, sagte die Chefin des Verfassungschutzes, Claudia Schmid, gestern im Verfassungsschutz-Ausschuss des Abgeordnetenhauses. Die Organisation, die den Kampf gegen die USA und Israel und einen fundamentalistischen Kalifenstaat propagiert, hatte kürzlich bei einer Veranstaltung in der Technischen Universität (TU) vor rund vierhundert Zuhörern ganz offen um Mitstreiter geworben. Unter den Zuhörern befanden sich auch der NPD-Vorsitzende Udo Voigt und der Rechtsextremist Horst Mahler.
Nach Angaben von Innenstaatssekretär Lutz Diwell (SPD) sind die Sicherheitsbehörden im Frühsommer 2002 auf die bundesweit agierende islamistische Befreiungspartei aufmerksam geworden. Vergangene Woche wurde im Bundesgebiet eine Razzia in 27 Wohnungen von mutmaßlichen Anhängern durchgeführt. Die Gruppierung, die in den 50er-Jahren von einem Palästinenser gegründet und dem Vernehmen nach von arabischen Intellektuellen geführt wird, gibt vierteljährlich eine Zeitschrift mit dem Namen Explizit mit einer Auflage von 5.000 Exemplaren heraus. Das Blatt wird zum Teil auch von türkischen Muslimen als Flugblatt auf Berliner Wochenmärkten und vor Moscheen vertrieben. In den in meheren Sprachen veröffentlichten Texten werde „in äußerst aggressiver“ Weise „gegen den Gedanken der Völkerverständigung“ zu Felde gezogen, sagte Schmid. Die Gruppe sei zwar noch nicht mit konkreten Gewalttaten in Erscheinung getreten. Die hasserfüllten Äußerungen könnten sich aber als Sprengstoff entpuppen, wenn sich „die hier lebenden Muslime“ davon „aufheizen“ ließen.
Dem Vernehmen nach ist die in Berlin agierende Gruppe zahlenmäßig eher klein. „Das Potenzial ist schwer einschätzbar“, sagte Diwell. „Wir werden uns bemühen, das konkreter zu erfassen.“ Insgesamt sollte der Stellenwert der Organisation aber nicht zu hoch bemessen werden. Auf Nachfrage des grünen Verfassungsschutzexperten Volker Ratzmann kündigte Diwell an, dass der Verfassungsschutz ähnlich wie in der Vergangenheit zum Thema rechtsextremistische Musik in absehbarer Zeit eine Verstaltung zum Thema Islamismus plant.
Dass die NPD-Größen Voigt und Mahler bei der Veranstaltung der „Hizb ut-Tahrir“ in der TU erschienen sind, hält der Innenstaatssekretär für Taktik, „um auf sich aufmerksam zu machen“. Es gebe zwar ein gemeinsames Feindbild, aber keine Hinweise auf eine Verbindung oder Beziehung zwischen „Hizb ut-Tahrir“ und rechtsextremen Gruppen. PLUTONIA PLARRE
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