Defizit-Hürde kippt auch nächstes Jahr

OECD moniert zu hohe Verschuldung 2003. Banken befürchten Rezession. Firmengewinne steigen schneller als Löhne

BERLIN taz ■ Auch im kommenden Jahr wird Deutschland mehr Schulden machen als erlaubt, prognostiziert die OECD. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit erklärte gestern in Paris, die öffentlichen Haushalte würden auch 2003 – wie schon 2002 – das Defizitkriterium des europäischen Maastricht-Vertrages überschreiten. Die rot-grüne Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, unter der erlaubten Grenze von 3 Prozent Defizit im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu bleiben.

Da nicht nur Deutschland Probleme mit dem Defizit hat, regt die Organisation an, die Regeln des Maastricht-Vertrages flexibler zu gestalten. Das Wirtschaftswachstum in Deutschland wird nach Berechnungen der OECD in diesem Jahr bei 0,4 Prozent liegen, sich im kommenden Jahr auf 1,5 Prozent und 2004 auf 2,5 Prozent beschleunigen. Die Möglichkeit einer Wachstumskorrektur für 2003 nach unten sei dabei aber höher als nach oben, sagte OECD-Chefökonom Eckhard Wurzel.

Trotzdem hält es die Organisation für grundsätzlich möglich, dass Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) 2006 einen nahezu ausgeglichenen Bundeshaushalt vorlegen kann. Währenddessen gehen die Volkswirte diverser Banken bereits davon aus, dass die Wirtschaftsleistung in Deutschland in den beiden Winterquartalen (Oktober bis März) wieder zurückgehen wird. Mit einer schwachen Rezession rechnet unter anderem die Deutsche Bank. Eine „Rezession“ tritt dieser Definition zufolge ein, wenn das BIP in zwei aufeinander folgenden Quartalen im Vergleich zum jeweils vorhergehenden sinkt. Die wirtschaftliche Lage sei „katastrophal“, Deutschland stünden „bittere Jahre“ bevor, sagte Fritz Kuhn, Parteichef der Grünen.

Im dritten Quartal des Jahres 2002 ist das BIP freilich um 0,3 Prozent gegenüber dem zweiten Quartal gestiegen. Im Vergleich zum dritten Quartal 2001 lag die Wirtschaftsleistung um 0,9 Prozent höher. Stark war die deutsche Wirtschaft wieder im Export. Der Exportüberschuss trug 1,1 Prozent zum realen Wachstum bei. Die nominelle Steigerung der Arbeitnehmereinkommen (inklusive Inflationsrate) betrug im dritten Quartal dieses Jahres 1,4 Prozent. Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen zogen dagegen um 10,1 Prozent an.

HANNES KOCH

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