: Neofaschistische Brandanschläge im Norden
Von Lübeck bis Uetersen: Eine durchaus unvollständige Chronik nach Mölln. Mindestens zwölf Menschen kamen dabei ums Leben
Zunächst hatten die Neonazis Michael Peters und Lars Christiansen noch geleugnet, die Brandanschläge von Mölln begangen zu haben. Während des Verfahrens 1993 aber erklärte der Angeklagte Christiansen dann: „Es war eine gelungene Aktion. Wir waren damit zufrieden.“ Andere Rechtsextremisten wohl auch. In den folgenden Jahren warfen Neonazis und rassistische Jugendliche immer wieder Brandsätze gegen Unterkünfte von Flüchtlingen und MigrantInnen.
Im März 1994 warfen vier Neonazis Molotow-Cocktails in einen Seiteneingang der jüdischen Synagoge in Lübeck. Zur Tatzeit lebten mehrere Familien in dem Gebäude. Da das Feuer rechtzeitig gelöscht werden konnte, wurden keine Menschen verletzt. Es entstand aber hoher Sachschaden. Und nur ein Jahr später, im Mai 1995, zündelte dann erneut jemand an dem jüdischen Gotteshaus. Auch diesmal blieb es bei Sachbeschädigung.
Der nächste tödliche Übergriff ereignete sich in Norddeutschland im Jahr 1995: Zwei Menschen starben, als Neonazis in Lübeck eine von Libanesen betriebene Gaststätte anzündeten.
Der folgenschwerste Anschlag wurde ebenfalls in Lübeck begangen, in der Nacht des 18. Januar 1996. In der Hafenstraße starben zehn Menschen, 38 wurden zum Teil schwer verletzt. Niemand wurde dafür zur Verantwortung gezogen. Die Staatsanwaltschaft klagte mit dem Libanesen Safwan Eid einen der Hausbewohner an, der aber wurde in zwei Verfahren freigesprochen. Nicht angeklagt wurden hingegen vier Skinheads aus dem mecklenburgischen Grevesmühlen – obwohl sie am Tatort angetroffen worden waren, sich an ihrer Kleidung Brandspuren befanden und einer der vier ein Geständnis ablegte, als er Monate später in einer anderen Sache in Haft saß. Sein Geständnis widerrief er, und die Staatsanwaltschaft gab sich zufrieden damit. Ein Klageerzwingungsverfahren, dass die Rechtsanwältin von Safwan Eid gegen die vier Grevesmühlener angestrengt hatte, wurde abgeschmettert.
In Kiel warfen zwei Täter im Dezember 1996 Brandsätze auf ein Flüchtlingsheim. Nachdem im März 1997 die St. Marien-Gemeinde in Lübeck einer algerischen Familie Kirchenasyl gewährte, legten Neonazis Feuer bei der St. Vicelin-Kirche (Mai 1997), dem St. Augustinus-Gemeindehaus (Juni 1997) und der St. Lorenz-Kirche (Oktober 1997). Im Mai 1999 zündeten Nazis ein Auto der „Lübecker Tafel“ an.
In Uetersen verübte im Juli 2000 ein Täter einen Anschlag auf die Moschee der Türkisch-Islamischen Union. Das linke Initiativenzentrum in Kiel griffen Neonazis im Dezember 2001 mit Brandsätzen an.
Auch in Mölln schlugen Neonazis wieder zu. Anlässlich des achten Jahrestages des Anschlags in der Mühlenstraße im November 2000 schmierten sie Hakenkreuze an die Friedhofskapelle und sprühten unter anderem „Türken raus“.
PETER MÜLLER / ANDREAS SPEIT
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