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Supervision – ein Fremdwort

Witze über die Schrullen von LehrerInnen wurden schon immer gemacht. Ein Angebot, den Einzelkämpfern an der Schultafel durch eine professionelle „Supervision“ zu helfen, gibt es bis heute nicht. Aber immerhin wird in Supervision ausgebildet

Lehrer sind Einzelkämpfer. Mancher steht über 20, 30 Jahre lang einer Horde mehr oder weniger pubertierender Jugendlicher gegenüber - kein Wunder, dass es „typische“ Verhaltensmuster gibt, an denen man altgediente Lehrer von weitem erkennt. Denn wenn die Tür zum Klassenraum geschlossen wird, guckt niemand mehr hinein. Als „Rückmeldung“ gibt es nur die Reaktion der Horde. Über Jahre hält das kaum jemand ohne Beschädigungen aus.

Eigentlich ein klassischer Fall für Supervision, findet Otto Seydel vom Institut für Schulentwicklung in Überlingen. Seydel ist einer der Fachberater am „Runden Tisch Bildung“ in Bremen. An privaten Schulen ist Supervision so normal wie in privaten Betrieben. Denn Supervision ermöglicht es, so definiert die Diplom-Supervisorin Gabriele Kummer, „durch Offenlegung und Selbstkontrolle der eigenen Praxis in einem geschützten Raum Lehr- und Lernqualität zu sichern“. Wichtig für die pädagogische Supervision ist das Vertrauensverhältnis, denn erst auf Grundlage von Vertrauen kann sich ein Lehrer öffnen, „um sich neu zu entdecken und einzulassen auf einen emotionalen und kognitiven Lernprozess, ohne Kontrolle von außen, ohne Legitimation und Lösungsdruck“.

Soweit die Theorie. Wenn in der Praxis die subjektiven Hürden überwunden sind, stellt sich sofort die Frage: Wer zahlt das denn? Supervision ist teuer und auf Krankenschein nicht zu haben. Inge Gruthus, zuständig beim Landes-Institut Schule (LIS) auch für Supervision, muss abwinken: Das LIS kann ausgebildete Supervisoren vermitteln, im Rahmen des Studiengangs Weiterbildung werden auch an der Bremer Uni Supervisoren für den pädagogischen Bereich ausgebildet, aber: „Für ein flächendeckendes Angebot Supervision gibt es kein Geld.“

Etwa 170 Schulen gibt es in Bremen, in vielleicht zehn Fällen im Jahr wird um Supervision nachgefragt. Und da geht es dann normalerweise um Konflikte zwischen Eltern und Schule oder innerhalb des Kollegiums. „Supervision“ der Unterrichtssituation „gibt es auch, aber das ist relativ selten“, sagt Grothus. Denn eigentlich ist dafür der Schulleiter zuständig, oder der Fachleiter des LIS kommt, der auch die Ausbildung der Referendare macht. Genau das ist aber nach dem ABC der Supervision der falsche Weg, denn wenn die vorgesetzte Behörde „Supervision“ anbietet, kann von Vertraulichkeit keine Rede sein. Das dürfte auch der Grund sein, warum diese Art der Kontroll-„Supervision“ nicht besonders gern in Anspruch genommen wird.

Das Landes-Institut Schule antwortet auf die Frage nach der „Supervision“ immer noch mit dem Hinweis auf Fortbildungsangebote, die verstärkt werden sollen. Geplant ist auch, junge Lehrkräfte drei Jahre lang systematisch zu „begleiten“ bei ihrem Start in den Lehrberuf. Aber auch das wäre eine Fortsetzung der Ausbildung durch die Ausbildungsinstitution, und kein vertrauenswürdiges Angebot der Hilfe in Krisen, die es auch im Lehrerberuf geben soll. K.W.

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