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Eine Friedensdynamik für Sri Lanka

In Oslo verhandelt eine Konferenz über den Wiederaufbau des Bürgerkriegslandes. Doch Teile der singhalesischen Öffentlichkeit stehen dem Friedensprozess skeptisch gegenüber. Und Verstöße gegen die Waffenruhe gibt es immer wieder

von BERNARD IMHASLY

In der norwegischen Hauptstadt Oslo beginnt heute eine internationale Konferenz über den Friedensprozess in Sri Lanka. Der srilankische Delegationsleiter G. L. Peiris drückte seine Erwartungen ganz unverblümt aus: „Das Treffen soll den internationalen guten Willen gegenüber dem Friedensprozess in Geld umsetzen.“ Auf dem Treffen sollen vor allem internationale Finanzhilfen für den Wiederaufbau des kriegsgeschädigten Nordens und Ostens des Landes mobilisiert werden.

Das Treffen, dem zwei Gesprächsrunden zwischen der tamilischen Rebellenbewegung LTTE und der srilankischen Regierung in Thailand vorangingen, wird auch politische Maßstäbe setzen. Erstmals wird die internationale Gemeinschaft formell in den bilateral abgesteckten Friedensplan integriert. Premierminister Ranil Wickremesinghe ist nach Oslo geflogen, doch dem LTTE-Führer Vellupillai Prabhakaran verbietet der Status eines international ausgeschriebenen Kriminellen einen öffentlichen Auftritt. Wickremesinghe wird dennoch zum ersten Mal seit über zehn Jahren mit einem hohen LTTE-Vertreter, Anton Balasingham, zusammentreffen. Der Geberkonferenz folgt eine Woche später ebenfalls in Oslo die dritte Runde der Friedensgespräche.

Niemand hätte erwartet, dass nur zwei Monate nach Beginn der Gespräche in Thailand bereits ein Zusammentreffen auf hoher Ebene stattfinden würde. Neunzehn Jahre eines grausamen Bürgerkriegs haben nicht nur 65.000 Menschenleben gefordert, sie haben auch schwere psychische Wunden geschlagen und die Beziehungen zwischen der singhalesischen Mehrheit und der tamilischen Minderheit vergiftet. Doch eine weit verbreitete Kriegsmüdigkeit, die Einsicht, dass keine der Parteien eine militärische Lösung erzwingen kann, sowie ein verändertes weltpolitisches Umfeld haben bewirkt, dass die beiden ersten Runden positiv verliefen.

Bereits nach dem ersten Treffen hatte der tamilische Chefunterhändler Balasingham die Forderung eines eigenen tamilischen Staates praktisch aufgegeben, als er sagte, Selbstbestimmung beinhaltete „nicht einen eigenen Staat“, sondern „eine substanzielle Autonomie oder Selbstverwaltung in den traditionellen Siedlungsgebieten“ der Tamilen. Auch die zweite Runde brachte große Fortschritte. Balasingham erklärte am Ende, es sei Ziel der LTTE, sich von einer militärischen in eine politische Organisation zu verwandeln.

Was diese substanziellen Konzessionen von Absichtserklärungen abhebt, sind die Mechanismen, über die sich die zweite Gesprächsrunde einigte. Sie bestehen aus drei paritätisch besetzten „Subkomitees“ – für den Wiederaufbau im Norden und Osten, für die militärische Deeskalation sowie für politische Angelegenheiten.

Die raschen Fortschritte in Thailand haben den singhalesischen Kreisen in Colombo, die dem Friedensprozess skeptisch gegenüberstehen, zunächst den Wind aus den Segeln genommen. Präsidentin Chandrika Kumaratunga hat die bisherigen Ergebnisse begrüßt. Sie betonte aber auch die Notwendigkeit, die Opposition, der auch sie angehört, in den Prozess einzubeziehen.

Auch Kreise aus der Zivilgesellschaft warnen die Regierung davor, sich vom positiven Verlauf davontragen zu lassen und die singhalesische Öffentlichkeit links liegen zu lassen. Jehan Perera vom „National Peace Council“ weist darauf hin, dass die Angst, von der LTTE wieder einmal an der Nase herumgeführt zu werden, groß sei. Wichtig sei daher ein ständiger Regierungsdialog mit der Opposition und dem einflussreichen buddhistischen Klerus, der eine harte Linie gegenüber der LTTE vertritt.

Die Richtigkeit dieser Warnung erwies sich vor einer Woche, als die „Volksallianz“, die von Kumaratungas Partei angeführt wird, in einer scharfen Erklärung der Regierung vorwarf, den Friedensprozess für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen. Auch Norwegen wurde mit den Worten kritisiert, das Schicksal des Landes sei zu kostbar, „dass es von der (Regierungspartei) UNP und der LTTE unter Aufsicht der norwegischen Regierung bestimmt werden dürfe“.

Auch die Lage vor Ort ist fragil. Trotz des Erfolgs des Waffenstillstands kommt es immer wieder zu Verstößen. Dazu zählen vor allem die „spontanen“ Demonstrationen gegen die srilankischen Militärlager, hinter denen man in Colombo die LTTE vermutet. Ähnliches konnte man dieser Tage beobachten, als die moderate tamilische EPDP ihre Vertreter wieder in den Norden zurückschickte. Es kam zu handfesten Protesten von Pro-LTTE-Gruppen.

Bei Beginn der zweiten Gesprächsrunde kam es in Colombo zu Zwischenfällen unter Singhalesen und Tamilen. Kurz zuvor hatte eine srilankisches Gericht den LTTE-Chef Prabhakaran zu 200 Jahren Haft verurteilt, nachdem er der Urheberschaft des Attentats auf die Zentralbank im Jahr 1996 überführt worden war, bei dem zahlreiche Menschen umkamen. Das Urteil brachte die zweite Gesprächsrunde aber nicht zum Entgleisen, was beide Seiten als großen Erfolg werteten.

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