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Hartz will von Hartz nichts wissen

Der Arbeitsmarktreformer kritisiert die Umsetzung seines Konzepts, das Wirtschaftslobby, Gewerkschaften und rot-grüne Regierung verwässert hätten. Zwei Millionen neue Jobs seien jetzt illusorisch. CDU will Einfluss der Gewerkschaften begrenzen

von HANNES KOCH

Arbeitmarktreformer Peter Hartz kritisiert das Gesetz der rot-grünen Bundesregierung, das seine Vorschläge umsetzen soll. „Es wird jedenfalls nicht möglich sein, zwei Millionen Menschen einen neuen Arbeitsplatz zu verschaffen“, sagte Hartz dem Spiegel. Die Reduzierung der Erwerbslosigkeit von heute rund vier Millionen auf die Hälfte hatte die Kommission unter Leitung des VW-Personalvorstands für die nächsten Jahre angepeilt.

Dass es dazu nicht mehr kommen könne, führt der von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit der Ausarbeitung von Reformideen beauftragte Manager auf den nachteiligen Einfluss der großen Wirtschaftsverbände und der Gewerkschaften zurück. „Wenn der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie das Konzept als Volksverdummung bezeichnet, ist das jedenfalls nicht sehr hilfreich“, so Peter Hartz. Dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DBG) wirft der Kommissionschef vor, „organisationspolitische Überlegungen“ hätten „Vorrang vor dem Abbau der Arbeitslosigkeit“. Unter Leitung von Peter Hartz hatte sich eine Expertenrunde, an der auch die Wirtschaftsverbände und die Gewerkschaften beteiligt waren, zunächst auf Vorschläge für die Deregulierung des Arbeitsmarktes geeinigt, die aufgrund nachträglicher Lobbyarbeit im Gesetzentwurf der Bundesregierung nur noch teilweise enthalten sind.

Besonders wurmt Hartz, dass Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) den Gewerkschaften das Zugeständnis „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gemacht habe. Ehemalige Arbeitslose sollen als Leiharbeiter nun prinzipiell zu den gleichen Bedingungen in der Privatwirtschaft beschäftigt werden wie das normale Personal. Die Kommission hatte dagegen vorgeschlagen, einen Anreiz für die Anstellung von Zeitarbeitern zu schaffen, indem ihre Löhne um ein Drittel unter der üblichen Bezahlung liegen sollten. Dass es verschiedene Ausnahmen vom Prinzip des gleichen Lohnes im Gesetz gibt, übergeht Hartz bei seiner Kritik.

Unter anderem die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat darauf hingewiesen, dass ähnliche Entlohnung für Stammbelegschaften und Leiharbeiter sowie Tarifverträge für flexibel Beschäftigte in anderen europäischen Ländern durchaus üblich seien und der Einrichtung neuer Stellen nicht im Wege stünden. Christian Wulff, Spitzenkandidat der CDU für die niedersächsische Landtagswahl im kommenden Februar, sieht in der Hartz’schen Kritik dagegen eine „Ohrfeige“ für die rot-grüne Bundesregierung. CDU-Fraktionsvize Friedrich Merz machte am Wochenende Vorschläge, wie der Einfluss der Gewerkschaften zurückgedrängt werden könnte. Die CDU will nach Worten von Merz binnen zehn Tagen einen Gesetzentwurf vorlegen, um „betriebliche Bündnisse für Arbeit“ zu ermöglichen. Durch eine Ergänzung des Betriebsverfassungsgesetzes sollen Betriebsräte in einzelnen Unternehmen das Recht erhalten, selbst Tarifverträge mit den Firmenleitungen abzuschließen. Bisher sind nur die Gewerkschaften tariffähig. Die Neuregelung würde erlauben, dass Beschäftigte untertarifliche Bezahlung akzeptieren, um zum Beispiel ihren Job zu sichern.

Während der Deutsche Industrie- und Handelskammertag via Welt am Sonntag schon den Exodus von vielen Unternehmen aus Deutschland an die Wand malt, peilt Wirtschaftsminister Clement ein neues Bündnis für Arbeit an. Der erste Konsensversuch dieser Art war in der vergangenen Legislaturperiode an den gegensätzlichen Positionen von Gewerkschaften und Unternehmerverbänden gescheitert.

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